Mit Ostkleingeld gegen Westbonzen
Zur IWF-Tagung 1988 in Westberlin fanden auch in der DDR Gegenaktionen statt
Von Anke Engelmann
Durch die Recherchen des Bundeskriminalamtes zum Paragrafen 129a ist eine alte, fast vergessene Bewegungsgeschichte wieder ins Licht der Öffentlichkeit gerückt: Die DDR-weite Aktionswoche gegen die Tagung von IWF und Weltbank, deren Vertreter sich 1988 in Westberlin trafen.
Ein klarer Klassenstandpunkt waren das Eine, Devisen in der stets klammen DDR-Kasse das andere. Nach außen stellten die Banker und Bonzen von IWF und Weltbank für die DDR-Führung die Verkörperung des »kapitalistischen Schweinesystems« dar. Trotzdem übernachteten zur IWF-Tagung, die im September 1988 in Westberlin stattfand, nicht wenige Teilnehmer in Ostberliner Interhotels. Die DDR war demzufolge auch für ihre Sicherheit verantwortlich. Als bekannt wurde, dass ostdeutsche Oppositionsgruppen Gegenveranstaltungen und Proteste planten, muss die DDR-Regierung ganz schön beunruhigt gewesen sein.
In dieselbe Zwickmühle waren zuvor auch linke Gruppen aus Westdeutschland geraten, die sich gegen IWF- und Weltbankpolitik engagierten, gleichzeitig jedoch in der DDR ein Bollwerk gegen die kapitalistische Weltherrschaft sahen. Eine Zusammenarbeit mit ostdeutschen Systemkritikern hätten »Teile der Autonomen, Antiimps und Realo-Grünen wegen deren Affinität zum staatssozialistischen Regime regelrecht abgelehnt«, zitiert Thomas Klein im letzten »telegraph« aus dem Buch »Störfaktor« von Wolfgang Rüddenklau.
Bereits 1987, als in Westdeutschland eine breites Bündnis die Anti-IWF-Kampagne in die Wege leitete, begannen auch in Ostdeutschland mehrere Initiativen mit den Vorbereitungen zu einer DDR-weiten Aktionswoche gegen die Tagung. Besonders aktiv waren dabei die Gruppe Gegenstimmen, aus der nach der Wende die Vereinigte Linke wurde, die Berliner Gruppen Kirche von Unten (KvU) und Friedenskreis Friedrichsfelde. Eine Menge Arbeit war zu erledigen: Kontakte in den Westen und nach Osteuropa mussten aktiviert und aufgebaut, Informationen, die in Bibliotheken zum Teil in Giftschränken lagen, besorgt, eine Ausstellung organisiert und Veranstaltungen vorbereitet, Räume und Verbündete gefunden werden – all das unter den wachsamen Augen der Staatssicherheit.
Bereits ab Herbst 1987 tingelte eine Ausstellung zum Thema durch Ostdeutsche Kirchen. »Erstaunlicherweise« seien Repressionen staatlicher Organe zu diesem Zeitpunkt ausgeblieben, schreibt Gegenstimmen-Aktivist Herbert Misslitz in einem 1999 erschienen Aufsatz. Im Juni folgte ein DDR-weites Treffen in Potsdam, das auch die sogenannte Potsdamer Erklärung verabschiedete. Vergleichsweise soft wurde darin die DDR-Regierung kritisiert und aufgefordert, »die Praktiken dieser Mordmaschine anzuprangern«. Trotz der Vorbehalte einiger westdeutscher Gruppen gab es von der anderen Seite der Mauer etwa zeitgleich die »Fuldaer Erklärung«, die auf dem 11. Bundeskongress entwicklungspolitischer Aktionsgruppen/Bundeskoordination Internationalismus verabschiedet worden war.
Aktivisten dieser Zeit erzählen gern von legendär gewordenen Aktionen: Wie die Bonzen bei einem Besuch im Pergamonmuseum durch ein Spalier von etwa 50 Leuten mussten, die sie mit Ost-Kleingeld bewarfen, Transparente hochhielten und Slogans riefen. Wie Sponti-Gruppen in ganz Ostberlin damit beschäftigt waren, die Telefonleitungen der Hotels lahmzulegen, in denen die Bonzen abgestiegen waren. Die Stasi hielt kräftig, aber unauffällig dagegen: Gäste aus dem Ausland wurden an der Grenze aufgehalten oder ihnen gegenüber die Initiativen diffamiert, eine als »Pilgerweg« angemeldete Demo verboten und alle Veranstaltungen gut mit Stasi-Leuten durchsetzt.