BKA wertete Stasiakten über DDR-Opposition aus

Inhalte von Spitzelberichten fanden Eingang in Ermittlungsakten der Bundesanwalt

von Andreas Förster

BERLIN. In den Ermittlungen gegen angebliche Mitglieder der linksextremen Vereinigung "militante gruppe" (mg) haben Bundesanwaltschaft und BKA auch auf Stasi-Akten über frühere DDR-Oppositionelle zurückgegriffen. So sind bei mindestens einem Beschuldigten Informationen des DDR-Geheimdienstes zum Teil wortgleich in die Ermittlungsakten übernommen worden.

Die Bundesanwaltschaft ermittelt seit 2001 gegen mittlerweile elf Männer aus Berlin, denen sie Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorwirft. Einige dieser Beschuldigten stammen aus der DDR. Sie gehörten dort linken Menschenrechtsgruppen an, weshalb sie vom DDR-Staatssicherheitsdienst verfolgt wurden.

Wortgleiche Formulierungen

Nach Informationen der Berliner Zeitung hatte die Bundesanwaltschaft die mit den mg-Ermittlungen betrauten Beamten des Bundeskriminalamtes auch mit der Sichtung von Stasi-Akten beauftragt. Die Ermittler interessierte unter anderem ein sogenannter Operativer Vorgang (OV) der Stasi, der 1988 von der für die Bekämpfung des politischen Untergrundes zuständigen MfS-Hauptabteilung XX über DDR-Oppositionelle angelegt worden war. Anlass für den Stasi-OV war die Tagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) Ende September 1988 in West-Berlin. Teilnehmer der Tagung waren seinerzeit in Ost-Berliner Hotels untergebracht. Parallel zur IWF-Tagung fand auf beiden Seiten der Mauer eine Aktionswoche linker Gruppen statt, mit der gegen die Finanzpolitik von IWF und Weltbank protestiert wurde.

Einer der Aktivisten der damaligen Aktionswoche auf Ost-Berliner Seite gehört heute zu den Beschuldigten im mg-Verfahren der Bundesanwaltschaft. In dessen Personenprofil, das Bestandteil der Ermittlungsakte ist, sind auch Informationen aus den Stasi-Akten eingeflossen. So kann man dort nachlesen, dass der Mann zu DDR-Zeiten Kontakte zu einer trotzkistischen Gruppe in Belgien, zur Alternativen Liste in Westberlin und zu Greenpeace unterhielt. Entsprechende Informationen hatte das MfS durch Stasi-Spitzel, die in die DDR-Widerstandsszene eingeschleust worden waren, und durch rechtswidrige Überwachungsmaßnahmen herausgefunden.

Für den Grünen-Politiker Volker Ratzmann, der 1988 von West-Berlin aus die Anti-IWF-Aktionen mit den DDR-Oppositionellen koordinierte, stellt sich die Frage nach der Objektivität von BKA und Bundesanwaltschaft. "Weil in den Ermittlungsakten die Quelle der aus dem Stasi-Archiv stammenden Informationen nicht genannt wird, erscheinen diese angeblichen Fakten plötzlich in einem anderen Kontext", sagte Ratzmann. Aus seiner Sicht agierten Bundesanwaltschaft und BKA praktisch in einem kontrollfreien Raum. "Vor diesem Hintergrund macht einem das neue BKA-Gesetz, dass der Behörde noch mehr Raum zu selbstständigem Handeln zugesteht, erst recht Angst und Bange", sagte Ratzmann.

Der DDR-Bürgerrechtler Tom Sello vom Robert-Havemann-Archiv nannte es bedenklich, dass von der Stasi rechtswidrig erlangte Informationen Eingang in rechtsstaatliche Ermittlungsverfahren finden. "Im Prinzip befragen die Ermittler ein zweites Mal die Stasi-Spitzel. Dadurch werden die Betroffenen von damals noch einmal zum Opfer", sagte Sello.

Die Stasi-Unterlagenbehörde, die den Ermittlern Zugang zu den Stasi-Akten gewährt hatte, verwies auf die Gesetzeslage. Demnach darf die Birthler-Behörde auch Opferakten an Ermittler herausgeben, wenn es sich um die Verfolgung besonders schwerer Straftaten handelt oder drohende Gefahren für die öffentliche Sicherheit abgewendet werden müssen.

Von der Bundesanwaltschaft lag bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe keine Stellungnahmen vor.