BKA nutzt Stasi-Opferakten für Ermittlungen
Nach Informationen der ehemaligen DDR-Oppositions- zeitschrift "telegraph" ist bei den Ermittlungen gegen die so genannte "militante gruppe" (m.g.) auch Material aus persönlichen MfS-Opferakten von DDR-Oppositionellen zur Erstellung eines aktuellen Personenprofils herangezogen worden.Die MfS-Akten stammten nach Angaben des "telegraph" aus dem Jahr 1988, als Teile der DDR-Opposition auch im Osten erfolgreich gegen den Westberliner IWF- und Weltbankgipfel mobilisierten. Das BKA habe versucht, mit Hilfe der Arbeit ihrer Kollegen von der DDR-Staatssicherheit zu belegen, dass schon damals Kontakt zu "terroristischen Kreisen" im Westen bestanden hätte. Im konkret angeführten Fall meinte das MfS damit in ihren Unterlagen unter anderem die Umweltorganisation Greenpeace.
Der Auslöser der Ermittlungen wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung nach §129a gegen vier Autoren der Zeitschrift "telegraph", darunter den Berliner Soziologe Dr. Andrej Holm, waren neun Wörter in dieser Zeitschrift, Wörter wie "implodieren" oder "drakonisch", die auch in Bekennerschreiben der m.g. auftauchen sollen.
Es folgten offenbar Hausdurchsuchungen, Haft, GPS-Wanzen am Auto, stündlich zugesandte stumme SMS aufs Handy, Überwachungskameras rund ums Wohnhaus, Überwachung des Surfverhaltens im Internet, Speicherung und Auswertung der E-Mails, Observationen, Überprüfung des Freundeskreises und vieler weiterer Personen - das volle Programm der Überwachungs- und Kontrollmaßahmen, rund um die Uhr.
Telegraph-Redakteur Dirk Teschner saß in den 80er Jahren aus politischen Gründen selbst in Stasi-Haft. Teschner: „Uns kommt das alles sehr bekannt vor. Fast auf den Tag genau vor zwanzig Jahren geriet unsere Redaktion schon einmal ins Visier der Staatssicherheit. In der Aktion 'Falle' überfiel die Stasi 1987 die Redaktionsräume in der Berliner Umweltbibliothek, Redakteure wurden verhaftet. Damals hieß unsere Zeitschrift noch 'Umweltblätter' und der Ermittlungs-Paragraph nicht 129a sondern §218 (Vereinigung zur Verfolgung gesetzwidriger Ziele)."
Telegraph-Redakteur Andreas Schreier: „Inwieweit unsere journalistische Arbeit von diesen Entwicklungen betroffen ist, können wir nur erahnen. In den Ermittlungsakten sollen Observationsfotos vom Sitz der telegraph-Redaktion (Haus der Demokratie und Menschenrechte) auftauchen und die überwachten E-Mails des Hauptbeschuldigten Dr. Andrej Holm lagen auf dem Mailserver unserer Redaktion. Wir als Redakteure wurden bereits von der Bundesanwaltschaft vorgeladen und darüber belehrt, dass uns, wenn wir nicht zu unseren Autoren aussagen würden, Geldstrafen und bis zu sechs Monate Beugehaft drohen würden. Wir sagten nicht aus.
Betrachtet man die jüngsten Überwachungsfälle von Journalisten und Rechtsanwälten, stellt sich für uns die Frage: Sind wir auf dem Weg zu einer neuen deutschen Geheimpolizei?“
Die diese Woche erscheinende aktuelle Ausgabe des "telegraph" wird sich vollständig diesen Ereignissen widmen.