Schnüffelei ist kein Einzelfall
Auf vielen größeren Umschlägen prangt sie schon immer: Die Aufschrift "Darf zu Prüfzwecken geöffnet werden". Portoverstöße sind hier gemeint, nicht aber, dass PolizeibeamtInnen im Rahmen der Strafverfolgung die Inhalte von Redaktionspost durchforsten.
Auch dies ist in Ausnahmesituationen erlaubt. Doch ob die jüngste Durchsuchung im Briefverteilzentrum Berlin-Mitte tatsächlich notwendig war, sollte noch einmal vor Gericht geklärt werden. Denn die fatalen Folgen für die betroffenen Zeitungen, aber auch alle sonstigen Redaktionen und JournalistInnen bleiben: Wenn sich Informanten nicht einmal mehr auf das Briefgeheimnis verlassen können, sieht es düster aus in Sachen Quellenschutz.
Gerade der wird auch von Politikerseite zwar in Sonntagsreden gern hoch gehängt. Doch die polizeiliche Briefschnüffelei von Berlin ist leider kein Einzelfall. Wie schon länger bekannt, bekam zeitgleich im Mai auch die Hamburger Post Besuch aus dem dortigen Landeskriminalamt. Diese nun fast schon altmodisch anmutenden Spürmethoden - Briefe vors Licht halten und schauen, ob dort ein schwarzer Stern durchscheint - reihen sich nun ein in die geplante Vorratsdatenspeicherung und andere routinemäßige Überwachungsmethoden.
Damit ist zwar nicht gleich die Pressefreiheit an sich ausgehebelt. Doch der Eindruck, dass ihre Verteidigung hinter eher schwammig begründeten Bedrohungsszenarien immer weiter zurückstecken darf, bleibt. Von einer Stärkung der Position der Medien redet sowieso längst niemand mehr. Die Ausweitung von Zeugnisverweigerungsrechten für die Presse unterbleibt. Unsinnige Strafrechtsparagrafen wie der über die Beihilfe zum Geheimnisverrat, auf dessen Grundlage das BKA immer wieder gegen JournalistInnen ermittelt, werden beibehalten.
Und die vom BND angezettelte Bespitzelung von Journalisten durch Journalisten? Sie findet sich schon irgendwann nächstes Jahr auf der Tagesordnung des zuständigen Untersuchungsausschusses. So sieht sie eben aus, die wahrhaft wehrhafte Demokratie anno 2007. STEFFEN GRIMBERG