Zeitungen wehren sich gegen Briefkontrollen
Die Kontrolle von Briefen an vier Berliner Tageszeitungen durch die Bundesanwaltschaft ist auf scharfe Kritik gestoßen. Berliner Chefredakteure protestierten deswegen bei Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD).
Das Redaktionsgeheimnis müsse Vorrang vor staatlichen Ermittlungen haben, sagte der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV), Michael Konken, am Freitag. Die Redaktion der «Berliner Zeitung» und der Chefredakteur der «Berliner Morgenpost», Carsten Erdmann, sprachen von einem «Angriff auf die Pressefreiheit».
Die Fahnder hatten Briefe durchleuchtet und geöffnet. Grund war die Suche nach Bekennerschreiben der linksextremen «militanten gruppe» (mg).
Die Chefredakteure von «Berliner Zeitung», «B.Z.» und «Berliner Morgenpost» schrieben gleichlautende Briefe an die Ministerin, wie die «Morgenpost» mitteilte. «Informanten unserer Zeitung können nicht mehr sicher sein, dass ihre Briefe unkontrolliert die Redaktion erreichen oder sogar von Ermittlungsbehörden abgefangen werden». Die Bundesanwaltschaft wurde aufgefordert, «Ermittlungsmethoden auf Kosten der Pressefreiheit zu unterlassen».
Journalisten und Gewerkschaft ver.di kritisierten, der Informantenschutz werde ausgehebelt. «Wir fordern die Bundesanwaltschaft auf, Ermittlungsmethoden auf Kosten der Pressefreiheit zu unterlassen», so die Redaktion der «Berliner Zeitung». Der Medienkonzern Axel Springer schloss rechtliche Schritte gegen die richterlich genehmigte Ausspähung nicht aus. Von der Kontrollaktion waren die Springer-Blätter «B.Z.» und «Berliner Morgenpost», die «Berliner Zeitung» und der «Tagesspiegel» betroffen.
Mutmaßliche Mitglieder der «militanten gruppe» hatten in der Nacht zum 18. Mai in Berlin zwei Polizeifahrzeuge angezündet. Anschließend wurde die Kontrolle der Postsendungen beschlossen. In den zwei geöffneten Briefen wurden Bekennerschreiben gefunden. Nach Angaben der Bundesanwaltschaft blieben die restlichen Briefe ungeöffnet.
Nach Informationen von ver.di hat das Bundeskriminalamt im März dieses Jahres außerdem eine Internetseite mit Informationen über die «militante gruppe» geschaltet. Anschließend seien alle Besucher der Seite registriert worden. Laut ver.di wurden 417 Computer-Adressen ausgewertet. Von der Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe gab es dazu keinen Kommentar. Generell gelten solche Homepages aber bei den Fahndern als ein übliches Mittel, mit dem beispielsweise bei Kinderpornografie auffälliges Klickverhalten registriert wird.
Die Polizei hat nach Angaben des Norddeutschen Rundfunks (NDR) bei Ermittlungen gegen mutmaßliche Linksextremisten auch Telefongespräche eines Mitarbeiters von NDR Info abhören lassen. NDR-Mitarbeiter hätten Einblick in Protokolle verschiedener Gespräche, die der betroffene Redakteur dieses Jahr mit Informanten in Norddeutschland geführt habe, teilte der Sender am Freitagabend mit. Den Unterlagen zufolge habe das Landeskriminalamt Schleswig-Holstein Abschriften der Telefonate für die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe erstellt. «Sollte sich der schwere Verdacht gegen die Sicherheitsbehörden bestätigen, dann stellte dies einen massiven Angriff auf die Rundfunk- und Pressefreiheit dar», sagte NDR Intendant Jobst Plog.