Angriff auf die Pressefreiheit
Kommentar
Heute will der Bundestag das neue Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung beschließen. Durch einen Zufall wurde am Donnerstag öffentlich, dass Mitarbeiter des Bundeskriminalamtes vom 18. bis 22. Mai wie selbstverständlich die Post an Berliner Zeitungen kontrolliert, geöffnet und teilweise ausgetauscht haben - darunter auch zwei Briefe, die an die Berliner Morgenpost adressiert waren. Die Aktion wurde vom Bundesgerichtshof im Rahmen der Ermittlungen gegen die sogenannte Militante Gruppe angeordnet und zeigt, was heute rechtlich möglich ist in einem Land, das sich der Freiheit, insbesondere der Pressefreiheit, angeblich so verpflichtet fühlt. Die Bespitzelung von Redaktionen durch das heimliche Öffnen von Briefen, um mutmaßlichen Hintermännern von Brandanschlägen auf die Spur zu kommen, hebelt den für die Presse so wichtigen Informantenschutz aus. Sie ist in diesem Fall allein schon deshalb überflüssig, weil die Zeitungen Bekennerschreiben automatisch den Behörden zuleiten. Wie sollen Journalisten arbeiten, wenn Informanten davon ausgehen müssen, dass ihre E-Mail oder ihr Brief an eine Zeitung zuvor von BKA-Beamten gelesen werden? Dass die Verlage bislang nicht einmal über die Durchsuchung der an sie gerichteten Post unterrichtet wurden, wirft grundsätzliche Fragen auf.
Ärzte, Anwälte und Journalisten haben im Vorfeld massiv gegen das neue Gesetzesvorhaben protestiert, weil den Sicherheitsbehörden schon im Verdachtsfall großzügig das Recht eingeräumt werden soll, vertrauliche Kommunikation dieser Berufsgruppen per Telefon oder Computer abzuhören und auszuwerten. Die Abgeordneten der Großen Koalition wollen die Bedenken nicht hören. Ihnen muss aber klar sein: Mit diesem Gesetz stirbt ein Stück Pressefreiheit.
Carsten Erdmann Chefredakteur