Chefredakteure protestieren gegen Briefkontrolle

Unangenehme Post für die Justizministerin: Brigitte Zypris hat eine Protestnote von mehreren Berliner Chefredakteuren erhalten. Sie beklagen darin die heimliche Kontrolle von Briefen an ihre Zeitungen. Gleichzeitig wurde ein weiterer Fall von Journalisten-Überwachung bekannt.
Die Kontrolle von Briefen an vier Berliner Tageszeitungen durch die Bundesanwaltschaft ist auf scharfe Kritik gestoßen. Drei Berliner Chefredakteure verfassten einen gleichlautenden Brief an Bundesjustizministerin Brigitte Zypries. Sie vertreten die "Berliner Zeitung", die "BZ" und die "Berliner Morgenpost". In ihrem Schreiben heißt es: "Wir sehen darin einen Angriff auf die Pressefreiheit, denn Informanten unserer Zeitung können nicht mehr sicher sein, dass ihre Briefe unkontrolliert die Redaktion erreichen oder sogar von Ermittlungsbehörden abgefangen werden." Der Quellenschutz und das Redaktionsgeheimnis würden damit unterlaufen. Die Bundesanwaltschaft wird aufgefordert, "Ermittlungsmethoden auf Kosten der Pressefreiheit zu unterlassen".
Die Fahnder hatten Briefe durchleuchtet und geöffnet. Grund war die Suche nach Bekennerschreiben der linksextremen "militanten gruppe" (mg). Von der Kontrollaktion waren die Springer-Blätter "B.Z." und "Berliner Morgenpost", die "Berliner Zeitung" und der "Tagesspiegel" betroffen. Der Springer-Verlag schließt rechtliche Schritte nicht aus.
Polizei soll NDR-Redakteur abgehört haben
Inzwischen wurden weitere Vorwürfe im Zusammenhang mit der Überwachung von Journalisten bekannt. Laut NDR sind Telefongespräche eines Redakteurs des Senders abgehört worden. Auch hier sollen im Hintergrund Ermittlungen gegen mutmaßliche Linksextremisten stehen. Die Abhöraktion soll dem NDR zufolge im Auftrag der Bundesanwaltschaft erfolgt sein. Die Behörde kommentierte den Vorwurf bisher nicht. Eine Sprecherin sagte lediglich: "Es läuft ein Verfahren."
NDR-Intendant Jobst Plog sagte: "Sollte sich der schwere Verdacht gegen die Sicherheitsbehörden bestätigen, dann stellte dies einen massiven Angriff auf die Rundfunk- und Pressefreiheit dar." Die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen im Vorfeld von politischen Großereignissen dürften nicht zur Einschränkung von Grundrechten führen: "Wenn Recherchen unter Aufsicht des Staates stattfinden, dann hat das mit der Freiheit der Berichterstattung nichts mehr zu tun, sondern beeinträchtigt die Arbeitsmöglichkeiten unserer Journalisten."
Der NDR stützt seinen Vorwurf auf Protokolle verschiedener Gespräche, die der betroffene Redakteur in diesem Jahr mit Informanten in Norddeutschland geführt habe. In diese Protokolle hätten NDR-Mitarbeiter Einblick nehmen können. Den Unterlagen zufolge habe das Landeskriminalamt Schleswig-Holstein Abschriften der Telefonate für die Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe erstellt. "Aus dem Inhalt geht eindeutig hervor, dass es sich um Gespräche mit einem Journalisten handelte. Auch der Name des Redakteurs wird genannt", teilte der NDR mit.
Hintergrund sind laut NDR offenbar Ermittlungen des Bundeskriminalamtes im Vorfeld des G8-Gipfels in Heiligendamm. Dabei gehe es um den Verdacht der Bildung einer terroristischen Vereinigung. In diesem Zusammenhang seien auch Gespräche mit dem Redakteur belauscht worden, der seit Jahren über politischen Extremismus berichte.