»Wir brauchen Bewegung gegen die Überwachung«

Studierendenverband der Partei Die Linke fordert Berliner Fraktion auf, die Verschärfung des Polizeigesetzes abzulehnen. Gespräch mit Georg Frankl.

Georg Frankl ist Sprecher des SDS/DIE LINKE.FU, der Hochschulgruppe der Linkspartei an der Freien Universität Berlin

Die Berliner Linksfraktion will zusammen mit der SPD Änderungen des Polizeigesetzes von Berlin (ASOG) verabschieden, die unter anderem die Ausweitung von Videoüberwachung und Handyortungen beinhalten. Was hält der Studierendenverband Die Linke.SDS von dem Gesetzentwurf?

Wir lehnen das Gesetz ab und fordern die Linke im Abgeordnetenhaus auf, es ebenfalls abzulehnen. Es ist zum Glück noch nicht sicher, ob es wirklich durchgesetzt wird, denn innerhalb der Linksfraktion wird noch heftig diskutiert.

Wie sind denn die Aussichten, das Gesetz zu verhindern?

Ich schätze sie ganz gut ein. In der Linken gibt es strömungsübergreifend Widerstand dagegen, und zahlreiche Mitglieder der Partei in Berlin und Sachsen haben einen Offenen Brief an die Fraktion im Abgeordnetenhaus gerichtet, in dem sie sie auffordern, ASOG abzulehnen.

In der Fraktion des Berliner Abgeordnetenenhauses sind aber nur zwei Abgeordnete der Linken gegen ASOG.

Offensichtlich müssen wir hier noch Überzeugungsarbeit leisten.

Kann ein linker Studierendenverband die Partei in Berlin unter diesen Umständen noch unterstützen?

Die Linke stellt sich bundesweit gegen die Vision von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) von totaler Sicherheit. Auch hier in Berlin muß sich Die Linke gegen den politischen Mainstream der Ausweitung von Sicherheitsgesetzen stellen und auf die sozialen Ursachen von Gewalt und Kriminalität aufmerksam machen. Dabei unterstützen wir die Partei und bringen uns kritisch in die Debatten ein.

Aber im Berliner Abgeordnetenhaus stellt sich die Linke nicht dagegen. Im Gegenteil. Das ist doch ein Problem, oder nicht?

Natürlich ist das ein Problem, weil sie damit zugunsten des Koalitionsfriedens die Glaubwürdigkeit der Linken bundesweit gefährdet. Und mit der Polizeigesetzverschärfung wird es weder weniger Kriminalität noch weniger Armut in Berlin geben.

Warum fühlen sich die Bürger denn unsicher?

Es gibt in der Bevölkerung ein berechtigtes Bedürfnis nach Sicherheit, zum Beispiel vor Neonaziübergriffen. Videoüberwachung hilft dagegen überhaupt nichts, wie Modellprojekte in Berliner U-Bahnlinien bewiesen haben. Hilfreich wäre dagegen, wenn die BVG mehr Zugbegleiter einstellen würde. Zugleich muß klar sein, daß das beste Mittel gegen Kriminalität eine soziale Politik ist. Jeder braucht einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz, und es muß mehr Geld für Bildung und Jugendarbeit bereitgestellt werden.

Führt nicht vielmehr die Panikmache durch Politiker und Medien zu mehr gefühlter Unsicherheit?

Selbstverständlich. Die Bundeswehr wird im Kampf gegen den sogenannten internationalen Terrorismus aufgerüstet, im Inland werden Sicherheitsgesetze verschärft. Beim G-8-Gipfel und im Fall des Berliner Dozenten Andrej Holm konnte man sehen, wohin das führt. Der Wunsch des Staatsapparates nach immer mehr Befugnissen entwickelt eine Eigendynamik. Doch immer mehr Befugnisse für die Sicherheitsorgane, die nicht demokratisch gewählt sind, zeigt, wie undemokratisch dieser Staat ist.

Was rät Die Linke.SDS den Berlinern angesichts drohender Überwachungskameras, Handyortungen und Polizisten ohne Namensschild?

Es gab in letzter Zeit einige größere Demonstrationen gegen Schäubles Visionen eines Überwachungsstaates. Es ist auch eine Demonstration am Tag der Abstimmung geplant. Wir rufen zur Teilnahme daran auf. Die Verschärfung der Sicherheitsgesetze lenkt von den Ursachen der sozialen Krise ab, nämlich Armut und Perspektivlosigkeit. Daher brauchen wir eine breite Bewegung gegen Überwachung und Sozialabbau.