Beschlagnahmte Redaktionspost - Wie schon zu RAF-Zeiten

Die Bundesanwaltschaft und der Ermittlungsrichter am BGH weisen die Kritik an der Berliner Postbeschlagnahme zurück. VON CHRISTIAN RATH
Die Bundesanwaltschaft (BAW) hält es für zulässig, wenn die Polizei im Postamt Redaktionspost sortiert. "Das Gesetz lässt offen, wer die Briefe, die beschlagnahmt werden sollen, aus der Post aussondert", erklärte BAW-Sprecherin Sonja Heine auf Anfrage der taz.
Wie letzte Woche bekannt wurde, hat das Bundeskriminalamt Mitte Mai die Tagespost an vier Berliner Zeitungen äußerlich überprüft und zwei Briefe daraus beschlagnahmt. Es handelte sich um Schreiben der militanten Gruppe (mg), in denen diese sich zu Brandanschlägen bekannte. Nach solchen Bekennerschreiben war auch gesucht worden. Journalistenverbände sahen in der Aktion eine Verletzung der Pressefreiheit.
Tatsächlich schreibt die Strafprozessordnung nicht vor, dass die Post die zu beschlagnahmenden Briefe selbst aussondern muss. "Es gibt zwar juristische Kommentare, die das so sehen", räumt BAW-Sprecherin Heine ein, "aber maßgeblich ist für uns das Gesetz." Nach Ansicht von Heine spricht sogar das Verhältnismäßigkeitsprinzip dafür, dass die Polizei selbst ins Postamt geht. "Die Identifizierung der fraglichen Briefe geht sicher schneller, wenn das Polizisten machen, die genau wissen, was sie suchen." Der Eingriff in die Produktionsabläufe sei deshalb geringer. Die Polizei suchte gezielt nach weißen C6-Umschlägen mit selbst klebenden Briefmarken, aufgeklebter Adresse, wie sie von der mg für Bekennerschreiben benutzt wurden.
Ulrich Hebenstreit, der als Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof die Postbeschlagnahme genehmigte, hält die Proteste nicht für gerechtfertigt. "Die Interessen der Presse haben nicht immer Vorrang vor der Strafrechtspflege", sagte er der taz am Rande einer Tagung. Bekennerschreiben dürften ja auch als Tatmittel in den Redaktionsräumen beschlagnahmt werden. "Die Beschlagnahme bei der Post hat aber den Vorteil, dass noch nicht so viele Fingerabdrücke auf den Schreiben sind." Schon zu Zeiten der RAF seien Bekennerschreiben aus der Post beschlagnahmt worden. "Solche Schreiben gehen nun mal immer an die Presse", so Hebenstreit.
Dies erklärt freilich nicht, warum die betroffenen Zeitungen nicht von der Aktion unterrichtet wurden. Denn wenn sie bei der Sortieraktion hätten anwesend sein können, wäre sicherlich weniger Misstrauen entstanden.
Unklar ist noch, ob die Beschlagnahme der Bekennerschreiben überhaupt zu nennenswerten Spuren geführt hat. "Über den Stand laufender Ermittlungserfahren geben wir keine Auskunft", sagte BAW-Sprecherin Heine. Nur so viel gab Heine preis: "Die Bekennerschreiben wurden nicht auf Geruchsspuren untersucht".