"Der Paragraph 129 a ist der Fehler"
Unter dem Titel "Wissenschaftliche Arbeit unter Terrorverdacht - Zur Entgrenzung des Rechtsstaates" hatte der Lehrbereich Stadt- und Regionalsoziologie der Humboldt-Uni Berlin am 30.10.07 zu einer Veranstaltung eingeladen.
Über 200 Menschen führten hier die großartige Solidarität mit dem Soziologen und HU-Mitarbeiter Andrej Holm fort, der er auch seine Freilassung aus der Untersuchungshaft verdankt. Sie verfolgten gebannt, wie Christina Klemm, seine Verteidigerin, die skandalösen Umstände seiner Verhaftung, aber auch die nicht minder skandalösen Umstände seiner Freilassung schilderte. Als in einem abgehörten Gespräch zwischen Holm und seiner Mutter, die ihn mit Freunden aus dem Gefängnis abholte, ein "schwarzer Beutel" erwähnt wurde, in dem sie die Prozessakten nach Hause tragen wollten, hatte das eine erneute Hausdurchsuchung zur Folge. Holm kann keinen Schritt tun, der nicht überwacht wird.
Prof. Ulrich K. Preuß, ein Mann mit Erfahrungen als Strafverteidiger in RAF-Prozessen, machte deutlich, dass gegenwärtig eine Verschiebung vom Tatstrafrecht hin zum Täterstrafrecht im Gange sei. Entscheidend sei nicht mehr die begangene Tat, sondern die Absicht und Gesinnung möglicher Täter. Die Verfolgungsbehörden haben es damit in der Hand, "vorbeugend" einzugreifen. Dafür biete der Paragraph 129 a die beste Handhabe.
Kräftiger Beifall kam auf, als Prof. Häußermann, ein Kollege Andrej Holms, die Diskussion des Abends in den Worten zusammen fasste: "129 a ist hier nicht fehlerhaft angewandt worden, er ist der Fehler." Zuvor hatte Prof. Norbert Pütter von der Arbeitsgruppe Bürgerrechte von der Freien Universität Berlin dargelegt, dass zwischen 2000 und 2006 560 Verfahren, gestützt auf 129 a, gegen 722 Beschuldigte durchgeführt wurden. Nur 14-mal wurden dabei Neonazis angeklagt, in allen anderen Fällen Linke. Pütter: Wenn es ein Missgriff war, dann einer mit System.
Die meisten Redner sahen den Kontext des Falles in den Beziehungen zu anderen Übergriffen auf demokratische Rechte oder in europäischen Entwicklungen. Ein Genosse der MLPD-Hochschulgruppe verwies darauf, dass wir mit der Erosion der Massenbasis der Monopolparteien eine wachsende Instabilität der herrschenden Verhältnisse erleben. Die deutlichen Sympathien für den Sozialismus, die in verschiedenen Umfragen zum Ausdruck gekommen sind, das wachsende Interesse an der Linkspartei in den alten Bundesländern und die größere Offenheit für die MLPD machen die Herrschenden nervös.
Vor diesem Hintergrund sind der forcierte Abbau demokratischer Rechte und die Faschisierung des Staates zu sehen. Wenn daraus einige Redner des Podiums auch flugs eine "Verschwörungstheorie" machten, führte diese Wortmeldung dennoch zu einer Reihe angeregter Gespräche. Es war Konsens, dass man über den Fall Holm hinaus gegen Verfolgung und den Abbau demokratischer Rechte aktiv werden muss.