Bundesanwälte fangen Briefe an Zeitungen ab

Die Bundesanwaltschaft hat vergangenen Mai in Berlin Zeitungspost kontrolliert und zwei Bekennerschreiben der "militanten Gruppe (mg)" abgefangen. Eine Sprecherin der Karlsruher Behörde bestätigte am Freitag die Beschlagnahme. Die Berliner Morgenpost und die BZ erhielten statt der aussortierten Originale Kopien, so dass der Vorgang zunächst nicht auffiel. Die Postbeschlagnahme war vom Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs genehmigt worden, nachdem am 18. Mai 2007 drei mutmaßliche Mitglieder der "mg" Brandanschläge auf Kraftfahrzeuge der Bundeswehr verübt hatten. Sie waren in Brandenburg/Havel auf frischer Tat ertappt worden.

In der Vergangenheit hatte sich die "mg" immer wieder zu Brandanschlägen im Raum Berlin/Brandenburg bekannt und entsprechende Schreiben an Berliner Zeitungen geschickt. Deshalb wurden vom 18. bis 22. Mai im Berliner Briefzentrum zehn solche Briefe kontrolliert, die an die Berliner Zeitung, die Berliner Morgenpost, die BZ und den Tagesspiegel adressiert waren. Ziel war es, die Schreiben kriminaltechnisch untersuchen zu lassen, bevor sie in den Redaktionen geöffnet wurden und die Fingerabdrücke der Absender nicht mehr rekonstruierbar waren.

Zwei Treffer

Die Bundesanwaltschaft betonte am Freitag, dass von vornherein nur Briefe beschlagnahmt werden sollten, die nach ihrem äußeren Erscheinungsbild darauf schließen ließen, dass sie Selbstbezichtigungsschreiben enthielten. Alle anderen Sendungen seien nur äußerlich in Augenschein genommen und dann sofort wieder in den Postgang gegeben worden. "Lediglich zwei Briefe wurden geöffnet, die tatsächlich Tatbekennungen der ,mg' enthielten", so Staatsanwältin Sonja Heine.

Nach der Strafprozessordnung dürfen Postsendungen beschlagnahmt werden, wenn aufgrund vorliegender Tatsachen angenommen werden kann, dass sie von einem Beschuldigten stammen.

Medienvertreter und Journalistengewerkschaften reagierten empört auf die Aktion der Bundesanwaltschaft. Das Redaktionsgeheimnis müsse "auf jeden Fall" Vorrang vor staatlichen Ermittlungen haben, sagte der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV), Michael Konken, am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. Er forderte die Ermittlungsbehörden auf, den Tenor des "Cicero"-Urteils zu berücksichtigen. Das Bundesverfassungsgericht hatte Ende Februar die Durchsuchungsaktion des Bundeskriminalamtes bei dem Politmagazin "Cicero" als unverhältnismäßig verurteilt und dem Informantenschutz Vorrang vor staatlichen Ermittlungen attestiert.

"Informantenschutz in Gefahr"

Auch die zur Dienstleistungsgewerkschaft verdi gehörende Deutschen Journalisten-Union (dju) kritisierte die Öffnung der Briefe. Das Vorgehen der Ermittlungsbehörden heble den Schutz von Presseinformanten aus, so Andreas Köhn vom verdi-Landesbezirk Berlin-Brandenburg. Der Verlag Axel Springer schließt rechtliche Schritte gegen die richterlich genehmigte Ausspähung nicht aus.

Nach verdi-Informationen hat das Bundeskriminalamt im März außerdem eine Internetseite mit Informationen über die "militante gruppe" geschaltet. Anschließend seien alle Besucher der Seite registriert worden. Laut verdi wurden 417 Computer-Adressen ausgewertet. Von der Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe gab es dazu keinen Kommentar.

Militante Gruppe

Die "militante gruppe" hatte sich seit 2001 zu mehreren Brandanschlägen, vor allem in Berlin und Brandenburg, bekannt. Am 31. Juli 2007 wurden drei Männer festgenommen, die Lastwagen der Bundeswehr in Brand stecken wollten. Kritik an den Ermittlern gab es bereits wegen des Vorgehens gegen einen Berliner Wissenschaftler, der als mutmaßliches Mitglied der Gruppe festgenommen worden war. Der Verdacht basierte vor allem darauf, dass er in einem Zeitschrifts-Artikel Wörter verwendete, die auch in einem Bekennerschreiben
auftauchten. Der Bundesgerichtshof hob den Haftbefehl auf.