Politiker und Journalisten empört über BKA-Aktion

Bei Ermittlungen gegen die linksextreme "Militante Gruppe" hat das
Bundeskriminalamt Post an Berliner Zeitungen durchsuchen lassen. Auch
die Telefonanschlüsse einzelner Journalisten wurden abgehört. Die Kritik
an den Aktionen ist ziemlich vernichtend.

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) wertete das Vorgehen der
Bundesanwaltschaft als schweren Verstoß gegen das Redaktionsgeheimnis.
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Renate Künast, nannte die
Maßnahme "vollkommen unverhältnismäßig". Sie betonte, Demokratie brauche
Pressefreiheit. Laut DJV wurden im Mai nach einem Beschluss des
Bundesgerichtshofs an fünf aufeinanderfolgenden Tagen in einem
Briefverteilzentrum zahlreiche Postsendungen untersucht, die an die
"Berliner Zeitung", die "Berliner Morgenpost", die "B.Z." und den
Tagesspiegel gerichtet war. Dabei wurden Bekennerschreiben der
"Militanten Gruppe" (mg) gesucht, der mehrere Brandanschläge vor allem
in Berlin und Brandenburg zur Last gelegt werden.

Nach Informationen der Deutschen Journalisten-Union (dju)
Berlin-Brandenburg wurden zwei Briefe beschlagnahmt, kopiert und
ausgewechselt. Medienberichten zufolge hörte das BKA auch Telefonate von
Journalisten ab. Die Zeitungen wurden offenbar nicht über die Maßnahmen
informiert.

Der DJV-Bundesvorsitzende Michael Konken betonte, der Schutz des
Redaktionsgeheimnisses müsse Vorrang vor dem Ermittlungsinteresse
staatlicher Behörden haben. Die Abwägung zwischen Pressefreiheit und
Sicherheit sei aber "einmal mehr zulasten der Freiheit der Medien
erfolgt". Konken forderte die Ermittlungsbehörden auf, den Tenor des
"Cicero"-Urteils zu berücksichtigen. Das Bundesverfassungsgericht hatte
Ende Februar die Durchsuchung der Redaktionsräume der Zeitschrift
"Cicero" für verfassungswidrig erklärt und damit die Pressefreiheit und
den Informantenschutz gestärkt.

"Ungeheuerlicher Vorgang"

Nach Angaben des Vorsitzenden der FDP-Fraktion im Berliner
Abgeordnetenhaus, Martin Lindner, ist die Bespitzelung von
Medienvertretern ein ungeheuerlicher Vorgang. Dabei sei nicht einmal
ansatzweise erkennbar, was ein solch skandalöses Vorgehen rechtfertigen
könnte. Die politisch Verantwortlichen müssten sich vor dem Bundestag
beziehungsweise vor dem Abgeordnetenhaus dazu erklären.

Der Chefredakteur der "Berliner Morgenpost", Carsten Erdmann, äußerte
ebenfalls scharfe Kritik an der Beschlagnahmung von Briefen durch die
Bundesanwaltschaft. Die Bespitzelung von Redaktionen hebele den für die
Presse so wichtigen Informantenschutz aus. Aus dem Büro des
Bundesdatenschutzbeauftragten hieß es, dass die Kontrolle der Post wegen
des vorliegenden richterlichen Beschlusses "formal korrekt" gewesen sei.
Bei den mitgeschnittenen Telefonaten zwischen den zwei Verdächtigen und
Anwälten sowie Journalisten habe man aber erhebliche Bedenken.

Bei der Fahndung nach Mitgliedern der linksextremen "mg" hat das BKA
bereits mehrere Razzien in Berlin und Umgebung durchgeführt. Im Zuge der
Ermittlungen wurde auch Berliner Soziologe Andrej H. verhaftet. Der
Terrorismus-Vorwurf gegen den Forscher hatte bei Wissenschaftlern
weltweit für Proteste gesorgt. Sein Haftbefehl wurde mittlerweile durch
den Bundesgerichtshof aufgehoben.