Kontrolle von Briefen an Berliner Zeitungen kritisiert

Die Kontrolle von Briefen an vier Berliner Tageszeitungen durch die
Bundesanwaltschaft ist auf scharfe Kritik gestoßen. Das
Redaktionsgeheimnis müsse Vorrang vor staatlichen Ermittlungen haben,
sagte der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV[1]),
Michael Konken, am Freitag. Die Redaktion der Berliner Zeitung[2] und der
Chefredakteur der Berliner Morgenpost[3], Carsten Erdmann, sprachen von
einem "Angriff auf die Pressefreiheit". Die Fahnder hatten Briefe
durchleuchtet und geöffnet. Grund war die Suche nach Bekennerschreiben der
linksextremen "militanten gruppe" (mg). Derweil erhob die Gewerkschaft
ver.di[4] weitere Vorwürfe.

Morgenpost-Chefredakteur Erdmann, die Redaktion der Berliner Zeitung und
die Gewerkschaft ver.di kritisierten, der Informantenschutz werde
ausgehebelt. "Wir fordern die Bundesanwaltschaft auf, Ermittlungsmethoden
auf Kosten der Pressefreiheit zu unterlassen", erklärte die Redaktion der
Berliner Zeitung. Der Medienkonzern Axel Springer[5] schließt rechtliche
Schritte gegen die richterlich genehmigte Ausspähung nicht aus. Von der
Kontrollaktion waren die Berliner Zeitung und der Tagesspiegel[6] sowie
die Springer-Blätter B.Z.[7] und Berliner Morgenpost betroffen.

Mutmaßliche Mitglieder der "militanten gruppe" hatten in der Nacht zum 18.
Mai in Berlin zwei Polizeifahrzeuge angezündet. Anschließend wurde die
Kontrolle der Postsendungen beschlossen. In den zwei geöffneten Briefen
wurden Bekennerschreiben gefunden. Nach Angaben der Bundesanwaltschaft
blieben die restlichen Briefe ungeöffnet. Die Ermittlungen zur "militanten
gruppe" waren auch durch das Vorgehen gegen Andrej H. in die Kritik
geraten; das BGH hatte den Haftbefehl gegen den Berliner Soziologen Ende
Oktober aufgehoben[8]. Wissenschaftler aus aller Welt hatten gegen die
Ìnhaftierung des Soziologen protestiert. Kritisiert wurden vor allem die
fragwürdigen Begründungen[9]. Beispielsweise soll der Soziologe einige
Begriffe gebraucht haben, die auch in den Schriften der "mg" aufgetaucht
sind. Das wurde durch Internetrecherchen herausgefunden[10].

Nach Informationen der Gewerkschaft ver.di hat das Bundeskriminalamt im
März dieses Jahres außerdem eine Internetseite mit Informationen über die
"militante gruppe" geschaltet. Anschließend seien alle Besucher der Seite
registriert worden. Laut ver.di wurden 417 IP-Adressen ausgewertet. Von
der Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe gab es dazu keinen Kommentar.
Generell gelten solche Homepages aber bei den Fahndern als ein übliches
Mittel, mit dem beispielsweise bei Kinderpornografie auffälliges
Klickverhalten registriert wird. (dpa) /
(jk[11]/c't) (jk/c't)

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[6] http://www.tagesspiegel.de/
[7] http://www.bz-berlin.de/
[8] http://www.heise.de/newsticker/meldung/97919
[9] http://www.heise.de/tp/r4/artikel/26/26329/1.html
[10] http://www.heise.de/newsticker/meldung/94714
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