Wie geht es eigentlich Anna und Arthur?

In der autonomen Szene wird wieder über die Folgen von Aussageverweigerung debattiert. Von Jörg Meyer

Vor dem Hintergrund der aktuellen Ermittlungsverfahren nach Paragraf 129a kommt die Diskussion um Aussageverweigerung und Knast in der linken Szene wieder ins Rollen. Neu ist sie indes nicht.

Anna und Arthur erblickten im Jahr 1987 das Licht der Welt. Nachdem bei einer Demonstration gegen den Bau der Startbahn West in Frankfurt (Main) zwei Polizisten erschossen wurden, gab es viele Hausdurchsuchungen und Verhaftungen. Die Autonome Szene zeigte sich damals mit der Situation überfordert. Viele AktivistInnen machten Aussagen, belasteten sich und andere. »Die Tatsache, dass überhaupt Aussagen gemacht wurden, brachte das Selbstbild der Autonomen, eine systemoppositionelle Bewegung zu sein, die aus unbeugsamen Kämpfern besteht, in Wanken«, schreibt Jan Schwarzmeier in seiner Dissertation über die Autonome Bewegung. Es folgte eine Kampagne zur Aussageverweigerung unter dem Titel »Anna und Arthur halten's Maul!« Seitdem wird die Diskussion periodisch geführt, wenn Verfahren anstehen oder gegen AktivistInnen ermittelt wird. Doch vieles, was an Wissen produziert wird, geht wieder verloren, wenn der Repressionsdruck nachlässt.

Vorige Woche verschickte die Bundesanwaltschaft im Rahmen der Ermittlungen gegen vermeintliche Mitglieder der »militanten gruppe« über zehn Vorladungen. Nicht erst seitdem steht das Thema wieder weit oben auf der linken Agenda. »Die Diskussion muss wieder ins Rollen kommen«, sagt Beate Beckmann, Sprecherin der Berliner ZeugInnengruppe/Ermittlungsausschuss. Dazu gehöre aber nicht nur »ein striktes Festhalten an Anna und Arthur«, sondern eine sehr persönliche Auseinandersetzung darüber, was Aussageverweigerung für Konsequenzen haben könne. »Die Leute dürfen nicht mit ihrer Entscheidung alleine gelassen werden – auch wenn sie sich aus persönlichen Gründen dazu entscheiden, Aussagen zu machen.«

Während man Zeugenvorladungen der Polizei nicht befolgen muss, muss man bei Ladungen zur Staatsanwaltschaft oder vor Gericht sowohl erscheinen als auch aussagen. Es gilt eine in der Strafprozessordnung (StPO) geregelte Aussagepflicht. Ausgenommen davon sind bereits Beschuldigte oder Personen, die sich durch ihre Aussagen selber belasten (§55 StPO) würden. Die Berufung auf diesen Paragrafen ist jedoch in der Linken stark umstritten, weil ZeugInnen so schnell selber zu Beschuldigten werden können. Auch EhepartnerInnen oder Verwandte haben das Recht, die Aussage über ihre Familienangehörigen zu verweigern (§52 StPO). Wer die Aussage verweigert, muss mit einschneidenden Konsequenzen rechnen. Dazu gehören Ordnungsgelder bis zu 1000 Euro und letztlich die »Erzwingungs-« oder »Beugehaft« von maximal sechs Monaten.

Das Instrument der Beugehaft wurde seit 1988/89 verstärkt gegen die linke Szene angewendet. Damals liefen Ermittlungsverfahren wegen der militant agierenden Gruppen »RZ/Rote Zora«. Von rund 25 Personen, die von der Staatsanwaltschaft zum Gespräch gebeten wurden, verweigerten nahezu alle die Aussage. Die meisten mussten Ordnungsgelder bezahlen, einer wurde zu fünf Monaten Beugehaft verurteilt. In der 1989 erschienenen Broschüre »Wenn die Sache irre wird – werden die Irren zu Profis« heißt es dazu: »Die Beugehaft trifft jede Einzelne in ihrer gesamten Lebenssituation: Sie ist nicht nur mal eben ein halbes Jahr weg vom Fenster, sondern sie hat weit reichende Konsequenzen zu tragen.« An diesem Punkt stelle sich die Frage nach der Verhältnismäßigkeit.

Die AutorInnen kritisierten, dass die unbedingte Einforderung der Aussageverweigerung eine »rechtzeitige und gründliche Auseinandersetzung« unmöglich gemacht habe. Zwar sei es gut, dass die »Anna und Arthur Kampagne« so weite Kreise gezogen habe, schrieb 1995 die linke Zeitschrift radikal. Die »verbreitete Aussagebereitschaft in der Linken« bloß mit dem Wiederholen der »richtigen Parole« bekämpfen zu wollen, hieße jedoch, »die Kampagne für richtig zu erklären und die Menschen für falsch«.

Im Rahmen eines Paragraf-129a-Verfahrens in Magdeburg entschieden sich zuletzt 2003 rund zehn Personen zum kollektiven Schweigen. Für einen Betroffenen endete das mit sechs Monaten Gefängnis.

Die Befragungen in Berlin beginnen nach Angaben der ZeugInnengruppe am 23. Oktober.