"Ich bin verdächtig"
"Ich bin Promotionsstudent und daher verdächtig." Plakatslogans wie dieser sind neu auf Solidaritätskundgebungen für politische Gefangene. Doch die kreative Rechtsauslegung der Bundesanwaltschaft beim Ermittlungsverfahren gegen angebliche Mitglieder der "militanten gruppe" (mg), spornt auch die Unterstützerszene an. Rund 100 Menschen demonstrierten mit den neuen Parolen am Samstagabend vor der Justizvollzugsanstalt Moabit. Ihre Unterstützung galt in erster Linie dem Soziologen Andrej H.
Der ist zusammen mit drei weiteren Männer in der JVA inhaftiert. Die Bundesanwaltschaft hält alle vier für Mitglieder der "militanten gruppe" und wirft ihnen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vor. Die drei Mitinhaftierten waren am Dienstag bei dem Versuch festgenommen worden, Bundeswehrfahrzeuge in Brandenburg an der Havel anzuzünden. Die mg hatte sich mehrfach zu ähnlichen Anschlägen bekannt.
Den Verdacht gegen den Soziologen begründet die Bundesanwaltschaft damit, dass Andrej H. in seinen wissenschaftlichen Schriften Formulierungen verwendet habe, die auch in Erklärungen der mg aufgetaucht seien. Zudem habe Andrej H. Zugang zu Bibliotheken und bringe die intellektuellen Voraussetzungen mit, die Erklärungen der mg zu formulieren. "Nach diesen Kriterien käme wohl fast jeder Student in Betracht", meinte ein Kundgebungsteilnehmer.
Der zweite Grund für die besondere Hervorhebung von Andrej H. liegt in seinen Aktivitäten in Stadtinitiativen, die sich gegen die Umstrukturierung von Stadtteilen und die Vertreibung von MieterInnen wenden. Sie haben sich an der Kundgebung mit eigenen Beiträgen beteiligt.
So gab es vor der JVA Moabit Kurzbeiträge von einem Friedrichshainer MieterInnenladen, der Bethanien-Initiative und dem Mediaspree-Bündnis, das die Bauplanung am Flussufer in Friedrichshain-Kreuzberg kritisiert. Übereinstimmend wiesen die Redner aller Gruppen die Argumentation der Anklagebehörden als konstruiert zurück.