Erste Erfolge gegen §129a-Repression
Das Verfahren nach Paragraf 129a gegen insgesamt sieben Beschuldigte läuft jedoch weiter. Drei von ihnen sitzen nach wie vor unter verschärften Bedingungen in Untersuchungshaft. Die AnwältInnen der Betroffenen und das Einstellungsbündnis fordern die Einstellung des Verfahrens gegen alle sieben Beschuldigten.
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Bisher auf Indy: Repression gegen die Linke geht weiter (08.08.) | §129a in Frage gestellt (30.08.)
Wie die Pressestelle des BGH mitteilte, entschied der zuständige 3. Strafsenat bereits am vergangenen Donnerstag über die Beschwerde der BAW gegen die Haftverschonung H's. Der BGH hat demnach nicht allein die Haftverschonung bestätigt, sondern den Haftbefehl aufgehoben. Das Rechtsmittel der BAW "hat keinen Erfolg; vielmehr führt es zur Aufhebung des Haftbefehls", heißt es in der Begründung des Beschlusses. Zwar hätten die Ermittlungen "die Einbindung des Beschuldigten in die linksextremistische Berliner Szene" und weitere Indizien belegen können, die einen "Anfangsverdacht" ausmachten, doch fehle für die Erlassung eines Haftbefehls der dringende Verdacht einer Straftat. Dieser könne aber mit "bloßen Vermutungen" nicht bejaht werden. Damit rechtfertigte der BGH zwar die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, sah aber für einen Haftbefehl keine Rechtsgrundlage.
AnwältInnen: Verfahren einstellen
Auf einer Pressekonferenz am Nachmittag begrüßten die Anwältinnen und Anwälte der Beschuldigten die Entscheidung des BGH. Der BGH habe bestätigt, "dass die Rückschlüsse der Bundesanwaltschaft überzogen und rein spekulativ sind", sagte Christina Clemm, die Andrej H. vertritt. "Sämtliche Grundrechtseingriffe, die mein Mandat in den vergangenen Monaten über sich ergehen lassen musste, sind damit rechtswidrig. Der nächste Schritt wird sein, das Verfahren einzustellen."
Auch Ulrich von Klinggräff, einer der Verteidiger von Florian L., bewertete die Entscheidung als einen Schritt zur Einstellung des Verfahrens. Die Ermittlungen beruhten "größtenteils auf Mutmaßungen und Konstruktionen", erklärte er. Da auch bezüglich der weiteren drei Beschuldigten kein dringender Tatverdacht nach Paragraf 129a vorliege, forderte er auch den Haftbefehl gegen Axel H., Florian L., und Oliver R. aufzuheben, die seit dem 1. August in Untersuchungshaft sitzen.
Für die BAW ist der Beschluss eine klare Schlappe. Dies sahen auch Volker Ratzmann (Anwalt und Fraktionschef der Berliner Grünen), Renate Künast (Fraktionschefin der Grünen im Bundestag) und Tobias Pflüger (MdEP der Partei Die Linke) so. Sie nannten das Ergebnis eine "Ohrfeige für die Bundesanwaltschaft". Die Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke (Die Linke) forderte nach der Entscheidung, das Verfahren gegen alle sieben Beschuldigten einzustellen.
Fehlende Grundsatzentscheidung
Wider Erwarten hat sich der BGH nicht zu der Frage geäußert, ob die Anwendung des Paragrafen 129a gegen die Beschuldigten und die "mg" generell überhaupt rechtens ist. Denn der Paragraf beinhaltet, dass die durch ihn verfolgten Taten in der Lage sein müssen, "die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern" oder "Grundstrukturen eines Staates [...] zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen". Dass dies beim Anzünden von Fahrzeugen nicht gegeben ist, erklärte auch der Vorsitzende des Republikanischen Anwältinnen-und Antwaltsverein, Wolfgang Kaleck: "Eine Brandstiftung ist keine terroristische Straftat", sage er auf der Pressekonferenz am Mittwoch.
Die Erwartete Grundsatzentscheidung des BGH trat aber nicht ein. Der BGH war der Meinung, die Frage der Bewertung der "mg" noch nicht behandeln zu müssen. Eine solche Entscheidung war im Vorfeld angekündigt worden und ist für die drei noch Inhaftierten von großer Bedeutung. Denn nur durch den Ermittlungsparagrafen 129a sitzen sie seit nunmehr drei Monaten unter verschärften Bedingungen in Untersuchungshaft in Berlin-Moabit. Ohne den Vorwurf der Mitgliedschaft in einer "terroristischen Vereinigung" bestünde gegen sie lediglich der Vorwurf der versuchten Brandstiftung. Die Verteidigung erwarte aber eine solche Entscheidung im Zusammenhang mit der Verhandlung der Haftbeschwerden der drei Beschuldigten, hieß es in einer Pressemitteilung des Einstellungsbündnisses.
ZeugInnenvorladungen: Weitere Repression
Unterdessen hat das Bundeskriminalamt (BKA) weiter ermittelt. Seit Dienstag waren mindestens 19 Menschen aus dem Umfeld der Beschuldigten für ZeugInnenaussagen geladen worden. Der Vorladung hatten sie Folge zu leisten und waren rechtlich zur Aussage verpflichtet, da sie von der Bundesanwaltschaft kam. "Bei diesen Vernehmungen geht es vor allem darum, das persönliche und berufliche Umfeld der Beschuldigten auszuforschen", erläuterte der rechtliche Beistand der ZeugInnen, Alain Mundt. Obwohl ihnen hohe Bußgelder und "Erzwingungshaft" zur Erpressung von Aussagen drohten, verweigerten einige der als ZeugInnen geladenen jede Aussage - nicht zuletzt, weil sie sich leicht zu Verdächtigen machen könnten. Betrachtet man das Konstrukt der BAW, dann reichen die Beschäftigung mit bestimmten Themen, politischer Aktivismus in der Linken und angeblich "konspiratives Verhalten", um einen Anfangsverdacht für ein Ermittlungsverfahren nach Paragraf 129a zu liefern. Um ein gemeinsames Vorgehen zu koordinieren ruft deshalb die ZeugInnengruppe alle, die Vorladungen bekommen, dazu auf, sich mit dem Eermittlungsausschuss (EA) in Verbindung zu setzen.
Neues in weiteren Verfahren
Auch im Zusammenhang mit den Verfahren vom 9. Mai konnte Rechtsanwalt Ulrich von Klinggräf neues berichten. Aus einem ihm zur Kenntnis vorliegenden Schreiben des BGH an die BAW gehe hervor, dass der BGH "erhebliche Zweifel an der Zuständigkeit des Generalbundesanwalts und damit des Ermittlungsrichters" habe. Dies bedeutet, dass die Anwendung des Paragrafen 129a rechtswidrig wäre und die Landeskriminalämter die Ermittlungen übernehmen müssten. Der Vorwurf der Mitgliedschaft in einer "terroristischen Vereinigung" müsste gegen alle Betroffenen fallen gelassen werden.
Einen Monat vor dem G8-Gipfel in Heiligendamm hatte die Bundesanwaltschaft über 40 Objekte in Norddeutschland durchsuchen lassen und bekannt gegeben, dass gegen mindestens 18 Personen nach Paragraf 129a ermittelt werde. Ein Teil betrifft das seit 2001 laufende Ermittlungsverfahren gegen angebliche Mitglieder der "militanten gruppe", die Mehrheit jedoch das Konstrukt einer "terroristischen Organisation", die eine "militante Kampagne" zur Verhinderung des G8-Gipfels geplant und durchgeführt habe.
Was ist eigentlich Terrorismus?
Mit Sinn für Humor hat das Bündnis auf die Diskussionen um die Definition von Terrorismus reagiert. Es hat einen Wettbewerb gestartet und dazu aufgefordert, an Lösung der Frage mitzuarbeiten, was eigentlich Terrorismus ist. Bis zum 30. November sollen juristische, humoristische und politische Beiträge eingereicht werden. In dem Aufruf heißt es:
"Die Bundesanwaltschaft verfolgt ihn. Die rot-grüne Koalition hat versucht, ihn neu zu definieren. Der Bundesgerichtshof muss ihn prüfen und unsere Freunde sollen seinetwegen angeklagt werden. Das Phantom des 'Terrorismus'. Mit dem Paragraph 129a des Strafgesetzbuches sollen die Betätigung und die Mitgliedschaft in einer 'terroristischen Vereinigung' juristisch verfolgt werden, doch selbst die höchsten Richter der Republik sind sich nicht ganz sicher, was darunter verstanden werden soll. Die Bundesjustizministerin denkt, dass nicht mal der 11. September terroristisch war, aber alle haben davor Angst. Das Strafgesetzbuch, die UNO und auch die EU haben gar keinen festgelegten Terrorismusbegriff und auch wir fragen uns aktuell: Was ist eigentlich Terrorismus? Wer ist ein Terrorist? Und was eine terroristische Handlung?"