Gericht entlastet Soziologen von Terrorverdacht

Weil seine Werke den Bekennerschreiben der «militanten gruppe» ähnelten, wurden Ermittler auf den Berliner Wissenschaftler aufmerksam. Doch der Verdacht, an Anschlägen beteiligt zu sein, erwies sich als haltlos.

Seit 2001 hat sich die «militante gruppe» zu mehr als zwei Dutzend militanter Aktionen vor allem im Raum Berlin bekannt. Es waren vorwiegend Brandanschläge auf Behörden und Fahrzeuge, Menschen kamen bisher nicht zu Schaden. Ein 36-jähriger Soziologe, jahrelang an der Berliner Humboldt-Universität tätig, wird verdächtigt, Bekennerschreiben für die Gruppe verfasst und Kontakte zu einem Mann zu haben, der mit zwei Komplizen einen Brandanschlag versucht haben soll.

Am 31. Juli nahmen Polizisten Andrej H. in seiner Wohnung fest. Die Bundesanwaltschaft stellte einen Tag später einen Haftbefehl aus, setzte ihn jedoch Ende August bereits außer Vollzug. Am Mittwoch nun hob der Bundesgerichtshof die Order vollkommen auf, mangels dringenden Tatverdachts, dass der Soziologe der «militanten gruppe» selbst angehört.

Im konkreten Fall sieht der BGH zwar durchaus Anlass zu Ermittlungen gegen den Wissenschaftler. Er sei nach bisherigen Erkenntnissen in die linksextremistische Berliner Szene eingebunden, unter anderem bei der Veröffentlichung der Szenezeitschrift «radikal». Für einen «dringenden Tatverdacht», der für einen Haftbefehl erforderlich ist, reichten die bisherigen Indizien aber nicht.

Internetrecherchen

Verdächtig machte H. auch, dass er Kontakte zu Florian L. gehabt haben soll. Nur wenige Stunden vor H.s Festnahme im Juli hatte die Polizei L. und dessen Komplizen Axel H. und Oliver R. gefasst. Sie sollen in Brandenburg (Havel) auf dem Gelände der Firma MAN versucht haben, drei Bundeswehrfahrzeuge in Brand zu setzen. Auf den Soziologen aufmerksam wurden die Ermittler aber auch, als sie Schlagwörter, die die «militante gruppe» in ihren Bekennerschreiben verwandte, bei Internetrecherchen in Arbeiten H.s wiederfand.

H.s Anwalt sieht durch die Entscheidung bestätigt, dass die Vorwürfe gegen den Soziologen «haltlos und konstruiert» seien. Die Linkspartei begrüßte die Karlsruher Entscheidung. Die Vorwürfe seien von Anfang an umstritten gewesen, «sie waren windig, und sie waren rechtsstaatlich nicht nachvollziehbar», sagte Fraktionsvize Petra Pau.

Terrorgruppe?

Der BGH steht zudem möglicherweise vor einer Grundsatzentscheidung zur Einstufung extremistischer Aktivitäten als Terrorismus. Am Mittwoch ließ der 3. Strafsenat zwar ausdrücklich die Frage offen, «ob es sich bei der «militanten gruppe» nach den Maßstäben der einschlägigen Strafvorschrift tatsächlich um eine terroristische Vereinigung handelt». (Az: StB 34/07 - Beschluss vom 18. Oktober 2007) Mit diesem unter Juristen umstrittenen Thema könnte sich der BGH aber in etwa drei Wochen befassen. Dann will das Gericht nach Angaben eines Sprechers über die Beschwerden dreier weiterer mutmaßlicher «mg»- Mitglieder gegen ihre Inhaftierung entscheiden.

Unter Juristen ist umstritten, ob Brandstiftungen und Sachbeschädigungen mit «politischer» Zielrichtung schon für den Vorwurf einer terroristischen Vereinigungen ausreichen. Nach einer Änderung des Terrorismusparagrafen 129a Strafgesetzbuch müssten solche Straftaten dazu bestimmt sein, die Grundstrukturen des Staates «zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen». Für die Linkspartei-Innenpolitikerin Ulla Jelpke ist bereits klar: «Versuchte Brandstiftung ist strafbar, aber kein Terrorismus.» (nz/dpa/AP)