Haftbefehl gegen angeblichen Links-Terroristen aufgehoben
Berlin/Karlsruhe - Ausgesetzt war er bereits, nun ist er auch aufgehoben: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat den Haftbefehl gegen einen Berliner Soziologen kassiert, dem Mitgliedschaft in der linksextremen "militanten gruppe" (mg) vorgeworfen wird. Für einen "dringenden Tatverdacht", der für einen Haftbefehl erforderlich ist, würden die bisherigen Indizien nicht ausreichen, urteilten die Richter.
In seiner heute veröffentlichten Entscheidung ließ der 3. Strafsenat zwar ausdrücklich die Frage offen, "ob es sich bei der "militanten gruppe" nach den Maßstäben der einschlägigen Strafvorschrift tatsächlich um eine terroristische Vereinigung handelt". Mit diesem unter Juristen umstrittenen Thema könnte sich der BGH aber in etwa drei Wochen befassen. Dann will das Gericht nach Angaben eines Sprechers über die Beschwerden dreier weiterer mutmaßlicher "mg"- Mitglieder gegen ihre Inhaftierung entscheiden.
Im Fall des 36-jährigen Soziologen sieht der BGH allerdings durchaus Anlass zu Ermittlungen. Der Wissenschaftler sei nach bisherigen Erkenntnissen in die linksextremistische Berliner Szene eingebunden, unter anderem bei der Veröffentlichung der Szenezeitschrift "radikal". Auch soll er konspirative Kontakte zu mindestens einem Mitbeschuldigten unterhalten haben. Seit Ende August war der Mann auf freiem Fuß, sein Haftbefehl war gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt worden.
Anwalt des Beschuldigten sieht sich bestätigt
Dessen Anwalt Volker Ratzmann sagte in Berlin, durch die Entscheidung habe sich bestätigt, dass die Vorwürfe gegen den Soziologen "haltlos und konstruiert" seien. Die Linke begrüßte die Karlsruher Entscheidung. Die Vorwürfe seien von Anfang an umstritten gewesen, "sie waren windig und sie waren rechtsstaatlich nicht nachvollziehbar", erklärte die Vizevorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Petra Pau.
Die drei weiteren mutmaßlichen "mg"-Mitglieder waren Ende Juli bei dem Versuch festgenommen worden, auf dem Gelände der Firma MAN in Brandenburg/Havel drei Bundeswehrlastwagen anzuzünden. Damals erwirkte die Bundesanwaltschaft erstmals Haftbefehle gegen die bisher im Verborgenen agierende Gruppierung. Seit 2001 hat sich die "mg" zu mehr als zwei Dutzend militanter Aktionen vor allem im Raum Berlin bekannt. Dabei handelt es sich vorwiegend um Brandanschläge auf Behörden und Fahrzeuge, Menschen sind bisher nicht verletzt worden. Nach Erkenntnissen der Ermittler soll der Soziologe die Bekennerschreiben verfasst haben.
Unter Juristen ist umstritten, ob Brandstiftungen und Sachbeschädigungen mit "politischer" Zielrichtung schon für den Vorwurf einer terroristischen Vereinigung ausreichen. Nach einer Änderung des Terrorismusparagrafen 129 a Strafgesetzbuch müssten solche Straftaten dazu bestimmt sein, die Grundstrukturen eines Staates "zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen".
flo/dpa