Schallende Ohrfeige für Bundesanwaltschaft

Bundesgerichtshof hob Haftbefehl gegen Andrej H. auf. Einstellung des 129a-Verfahrens gefordert. Von Lothar Bassermann

Andrej H. bleibt auf freiem Fuß. Dem Berliner Soziologen war vorgeworfen worden, Mitglied der als terroristische Vereinigung eingestuften »militanten gruppe« (mg) zu sein. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe verwarf am Mittwoch eine Beschwerde der Bundesanwaltschaft (BAW) gegen die Aussetzung des Haftbefehls. Der BGH ging sogar noch einen Schritt weiter und hob den Haftbefehl auf: Die »in den bisherigen Ermittlungen aufgedeckten Indizien sprechen nicht hinreichend deutlich für eine mitgliedschaftliche Einbindung des Beschuldigten in die ›militante gruppe‹«, so die Begründung aus Karlsruhe. H., der an der Berliner Humboldt-Universität lehrt, war Anfang August festgenommen worden.

Cristina Klemm, Rechtsanwältin von Andrej H., begrüßte vor Journalisten die BGH-Entscheidung und sprach von einer »herben Niederlage« für Generalbundesanwältin Monika Harms. Ulrich von Klingengräff, Verteidiger von Florian L., der wegen des Vorwurfs der Mitgliedschaft in der mg noch inhaftiert ist, sprach von »abenteuerlichen Konstruktionen« und erwartet, daß sich der BGH grundsätzlich mit der Frage beschäftige, ob die mg eine »terroristische Vereinigung« sei. Seinem Mandanten wird vorgeworfen, Ende Juli mit zwei weitere Personen versucht zu haben, drei Bundeswehrfahrzeuge in Brand zu stecken. Es sei zweifelhaft, daß durch das Anzünden von Autos das Fundament der BRD »erheblich zu erschüttern« sei.

Rechtsanwalt Alain Mundt informierte, daß in den Akten zur Ermittlung auf Basis des Paragraphen 129a weit über tausend Personen Erwähnung fänden: Neben den Beschuldigten werde deren privates und berufliches Umfeld ausspioniert. Den Ermittlungsorganen gehe es »nicht um die Aufklärung von Straftaten«, vielmehr müsse von »Spionage« die Rede sein. Die innenpolitische Sprecherin der Bundestagfraktion Die Linke, Ulla Jelpke, forderte, das 129a-Verfahren einzustellen. Diese Forderung wurde auch auf einer Kundgebung vor dem Bundeskriminalamt im Berliner Stadtteil Treptow erhoben, an der sich am Mittwoch nachmittag rund 100 Menschen beteiligten.