«Eine Ohrfeige für die Bundesanwaltschaft»
Berlin (ddp-bln). Der Verteidiger des Berliner Soziologen Andrej H., Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann, hat nach der Aufhebung des Haftbefehls gegen seinen Mandanten scharfe Kritik an der Bundesanwaltschaft geübt. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) bestätige seine Auffassung, dass die Ermittlungen der Behörde auf einem «reinen Konstrukt» beruht hätten, sagte Ratzmann am Mittwoch der Nachrichtenagentur ddp.
Es habe allenfalls ein Anfangsverdacht bestanden. Dieser begründe aber keine Grundrechtseinschränkungen wie Telefonüberwachung und Wohnungsdurchsuchungen.
Der BGH habe in seiner Entscheidung zudem deutlich gemacht, dass nicht jeder, der sich konspirativ verhalte, verdächtig sei, sagte Ratzmann. Diese klare Aussage sei eine «Ohrfeige für die Bundesanwaltschaft», die versucht habe, das Gegenteil zu belegen. Ratzmann forderte, das Verfahren gegen seinen Mandanten sowie die weiteren Verdächtigen wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung einzustellen. Auch müssten die Haftbefehle gegen drei weitere Beschuldigte aufgehoben werden.
Der Rechtsanwalt bedauerte es zugleich, dass der BGH in seiner Entscheidung nichts über die Anwendbarkeit des Paragrafen 129 des Strafgesetzbuches auf die «militante gruppe» (mg) gesagt habe. Hier sei eine Grundsatzentscheidung notwendig. Nach Ansicht des Juristen ist der Paragraf überflüssig. Das allgemeine Strafrecht reiche aus, um Sicherheit zu gewährleisten.
Der Staatsschutzsenat des BGH in Karlsruhe hatte zuvor den Haftbefehl gegen Andrej H. komplett aufgehoben. Ein «dringender Tatverdacht» bestehe derzeit nicht, hieß es zur Begründung. Der an der Humboldt-Universität beschäftigte Soziologe war am 1. August mit drei weiteren Personen festgenommen worden, die einen Brandanschlag auf Bundeswehrfahrzeuge geplant haben sollen. Der Haftbefehl wurde später außer Vollzug gesetzt. Der Terrorismus-Vorwurf gegen den Forscher hatte bei Wissenschaftlern weltweit für Proteste gesorgt.
(ddp)