Demo für die wg, 129 a Verhafteten in Fulda

400 Leute sind heute Nachmittag von der Attac-Sommerakademie in die Innenstadt von Fulda gezogen, um gegen die Verhaftung des Berliner Sozialwissenschaftlers Andrej H. sowie die Terrorismusvorwürfe gegen drei weitere verhaftete Personen zu protestieren.

Den vier Verhafteten wird die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung nach Paragraf 129a StGB vorgeworfen. Andrej H. sollte am Samstagnachmittag als Referent auf der Attac-Sommerakademie mitwirken. Zur Begründung für den Haftbefehl gegen den Stadtsoziologen wird in erster Linie seine wissenschaftliche Tätigkeit herangezogen. Das Motto der Demonstration, das auf dem Fronttransparent zu lesen war, lautete daher: “Wer das liest, ist Terrorist”.

Immer wieder erschallten auf der Demo Sprechchöre wie „Wir sind alle 129 a“, „Alles Terroristen“ und „Wir sind nicht alle. Es fehlen die Gefangenen.“

Der EU-Abgeordnete und IMI-Aktivist Tobias Pflüger forderte die sofortige Freilassung von Andrej H. und stellte klar, dass diese Verhaftungsserie eine neue Qualität der Überwachung und Zensur für politische AktivistInnen und kritische Wissenschaft bedeutet.

Ca. 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Sommerakademie haben beim Einsatzleiter der Polizei sich selbst angezeigt, da gegen sie dieselben Verdachtsmomente wie gegen Andrej H. angeführt werden können. In einer „Selbstbezichtigung nach §129a“ stellten sie fest:

  • dass auch sie die intellektuellen und sachlichen Voraussetzungen für das Verfassen eines Bekennerschreibens erfüllen,
  • dass ihnen Bibliotheken zur Verfügung stehen, die sie unauffällig nutzen können, um die zur Erstellung eines Bekennerschreibens erforderlichen Recherchen durchzuführen und
  • dass von ihnen Texte öffentlich zugänglich sind, die Schlagwörter enthalten, die auch in Texten der “Militanten Gruppe” verwendet werden.

Weitere TeilnehmerInnen besuchten im Anschluss an die Aktion einige Buchläden, und verteilten dort in Büchern Flugblätter mit dem Titel „Achtung! Sie sind nach dem Terrorismusparagrafen §129a verdächtig! Denn Sie können lesen!“

Als nächster Schritt ist geplant, die Selbstbezichtigungs-Aktion auszuweiten, um noch mehr Menschen die Möglichkeit zu geben, sich mit Andrej H. solidarisch zu erklären und die gegen ihn Vorwürfe ad absurdum zu führen.

 

 

Text der Selbstbezichtigung:

An den
Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof
Brauerstr. 30
76135 Karlsruhe

Selbstbezichtigung nach §129a StGB

In einem seit 2006 von der Bundesanwaltschaft geführten Verfahren wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung nach § 129a Abs. 2 Nr. 2 StGB wurde neben drei anderen Personen am 31.7. 2007 der Soziologe Dr. Andrej H. festgenommen. Ihnen wird vorgeworfen Mitglied der „militanten gruppe“ zu sein, die seit 2001 mehrere Brandanschläge verübt hat.

Andrej H. wird vorgeworfen, sich mit einem der drei anderen Beschuldigten getroffen zu haben, wobei über Inhalte und Anlass des Treffens nichts bekannt ist. Weiterhin wird er in der Anklageschrift beschuldigt, „als promovierter Politologe [sei] er zum einen intellektuell in der Lage, die anspruchsvollen Texte der „militante(n) Gruppe (mg)“ zu verfassen, zum anderen [stünden ] ihm als Mitarbeiter eines Forschungszentrums Bibliotheken zur Verfügung, die er unauffällig nutzen kann, um die zur Erstellung von Bekennerschreiben erforderlichen Recherchen durchzuführen.“ Eine weitere Beschuldigung lautet:„Als Promotionsstipendiat verfügt er, ebenso wie … über die intellektuellen und sachlichen Voraussetzungen, die für das Verfassen der vergleichsweise anspruchsvollen Texte der militanten Gruppe erforderlich sind.“

Mit dieser Selbstbezichtigung möchte ich meiner BürgerInnenpflicht nachkommen und einen Anfangsverdacht bezüglich meiner eigenen Person melden.

Ich betrachte aufgrund untenstehender Punkte einen Anfangsverdacht als gegeben, Mitglied einer terroristischen Vereinigung nach §129a StGB sein zu können.

Begründung

0 Ich erfülle die intellektuellen und sachlichen Voraussetzungen, die für das Verfassen eines vergleichsweise anspruchsvollen system- und herrschaftskritischen Bekennerschreibens erforderlich sind.

0 Mir stehen Bibliotheken zur Verfügung, die ich unauffällig nutzen kann, um die zur Erstellung eines Bekennerschreibens erforderlichen Recherchen durchzuführen

0 Ich habe mich irgendwann mit Menschen getroffen, bei denen ich nicht ausschließen kann, dass sie Straftaten begehen könnten (Hausbesetzung, Farbbeutelwurf, Fahren ohne Führerschein)

0 Von mir verfasste Artikel / wissenschaftliche Abhandlungen o.ä., enthalten Schlagwörter und Phrasen, die in Texten der 'militanten gruppe' ebenfalls verwendet werden.

Ich beschäftige mich

0 privat
0 beruflich

it Themen wie ungerechter Weltwirtschaftsordnung, Prekarisierung, Stadt- und Regionalentwicklung

0 Ich bin in ................. aufgewachsen und verfüge daher über gute Ortskenntnisse, die für die Verübung eines Anschlages erforderlich wären.

0 Ich habe an Demonstrationen und anderen Aktionen gegen den G8-Gipfel teilgenommen, die nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Greifswald das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet haben.

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