Leben als Terrorist - Eine vom BKA überwachte Bürgerin bloggt
Einen Monat alt ist das externer Link in neuem Fenster folgtBlog und zeigt erschreckend krass, wie sich das Leben unter Vollbeobachtung ändert und was plötzlich alles zum Risiko wird - da wird die Bewerbung an einer niederländischen Universität angesichts des Pendeln des Mannes zur offenbar fehlenden Familienbindung, damit zur erhöhten Fluchtgefahr und damit wiederum zum Grund, U-Haft anzuordnen.
Das Paar ist darüber informiert, dass alle Telefongespräche vom BKA abgehört und aufgezeichnet werden. Und worüber man sich angesichts dessen auf einmal Gedanken machen muss, macht das vorausgegangene Beispiel deutlich. Auswege, Rückzugsmöglichkeiten, alternative Kommunikationskanäle? Das "aktive Vermeiden" der überwachten Kanäle wird vom BKA als "konspiratives Verhalten" gewertet und erhärtet somit die Verdächtigung gegen Andrej H.
Leben unter Generalverdacht: am anschaulichsten werden die Folgen bei den Gedanken zum Telefonieren bei mithörendem BKA:
"...Was mich daran erinnert, dass ich kürzlich in einem Telefonat versehentlich die Formulierung gebraucht habe "dann denken sie bestimmt gleich wieder, dass wir sofort irgendwelche Anschläge vorbereiten", wobei ja meines Wissens niemand davon ausgeht, dass ich Anschläge vorbereite, und ich mir dann innerlich auf die Zunge biss, weil ja zu befürchten steht, dass das BKA samt BAW jetzt vielleicht denken, dass ich Anschläge vorbereiten wollen könnte. Was nicht so ist, (Hallo BKA, nochmal zum Mitschreiben: ich bereite keine Anschläge vor), aber vielleicht wird interpretiert, dass ich mich so sehr mit dem ganzen politisch-repressiven Schlamassel identifiziere, dass ich auch dazu gehöre? Dabei ist es lediglich so, dass ich von der Überwachung eben mitbetroffen bin und das alles insofern auch ziemlich persönlich nehme. Darüber, wie es sich auswirkt, schriftlich zu haben, dass alle Telefonate mitgehört werden, liesse sich auch einiges schreiben, vielleicht später."
Wenn dann die Handyanrufe nicht mehr durchkommen, Mails plötzlich nicht mehr ankommen und das frisch aufgesetzte Kubuntu streikt - "kafkaesk" ist noch leicht untertrieben, will man die Eindrücke bei der Bloglektüre umschreiben. Am erschreckendsten ist immer noch, dass dies tatsächlich heute hier in Deutschland passiert und es offenbar keine Möglichkeiten für die Betroffenen gibt, dagegen vorzugehen.
Zu guter Letzt: das alles passierte, weil
"...die Fahnder des BKA im Internet nach bestimmten Stichworten ... [suchten], die auch die "militante gruppe" in ihren Bekennerschreiben benutzt. Darunter seien Begriffe wie "Gentrification" oder "Prekarisierung". Da H. zu diesen Themen forsche, seien die Fahnder auf ihn aufmerksam geworden."
Die Folge:
"Vor fast genau zwei Monaten brach das Berliner LKA morgens um sieben in unsere Wohnung ein, schmiss meinen Liebsten auf den Boden, stürmte unser Schlafzimmer und die Zimmer unserer Kinder mit gezogenen Waffen und seitdem steht unser Leben Kopf."
Man bedenke: die Möglichkeiten des BKA sollen in Zukunft weiter ausgebaut, die Rechte der Bürger noch weiter beschnitten werden.