Terroristenjäger suchen Zeugen
Der Sozialwissenschaftler Hartmut Häußermann wird sich kommende Woche Urlaub nehmen müssen. Er gehört zu den 14 Personen, die von der Bundesanwaltschaft zur ZeugInnenbefragung in die Berliner Zentrale des Bundeskriminalamtes geladen wurden. Die Befragungen stehen im Zusammenhang mit den Ermittlungen wegen des Verdachts auf Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Gemeint ist die "militante gruppe" (mg).
Drei der sieben Beschuldigten, Oliver R., Florian L. und Axel H., sitzen seit dem 31. Juli in der JVA Moabit in Untersuchungshaft. Sie wurden bei dem Versuch, in der Nähe von Potsdam Bundeswehrfahrzeuge anzuzünden, festgenommen. Der Stadtsoziologe Andrej H., der am selben Tag in seiner Wohnung verhaftet wurde, wurde nach drei Wochen gegen Kaution und mit Meldeauflagen aus der Untersuchungshaft entlassen. Drei weitere Beschuldigte waren von Beginn an auf freiem Fuß.
Gegen die Freilassung von Andrej H. hat die Bundesanwaltschaft (BAW) Beschwerde eingelegt. Der zuständige Bundesgerichtshof (BGH) will dabei gleich die Frage entscheiden, ob in dem Verfahren überhaupt wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung nach Paragraf 129 a ermittelt werden kann.
Sollte der BGH dies verneinen, "müsste das Verfahren gegen meinen Mandanten sofort eingestellt werden", sagt die Anwältin von Andrej H., Christina Clemm. Gegen die drei noch Inhaftierten könne dann nur noch wegen versuchter Brandstiftung ermittelt werden. "Dafür aber wäre die Bundesanwaltschaft nicht zuständig." Dann entfiele auch der Haftgrund, sagen die Anwälte der Inhaftierten, und legten am 15. Oktober Haftbeschwerde ein. Rechtsanwalt Stefan Schrage, der Axel H. vertritt, sieht in der Entscheidung des BGH, die in den nächsten Tagen erwartet wird, eine "Signalwirkung auch für andere 129 a-Verfahren".
In einer Presseerklärung kritisiert die ZeugInnengruppe, dass die BAW mit den Vorladungen begonnen hat, ohne die Entscheidung abzuwarten. Die Auswahl der Geladenen sei wahllos. "Neben Menschen aus dem näheren Umfeld der Beschuldigen sind hiervon auch Menschen betroffen, die bisher keinen Zusammenhang zu den Beschuldigen oder dem Verfahren erkennen können." Die ZeugInnen sehen eine neue Qualität darin, dass jetzt nicht mehr die Polizei, sondern die Staatsanwaltschaft vorlädt. Dem müssen die Betroffenen Folge leisten und sind rechtlich zur Aussage verpflichtet. Bei einer Weigerung kann die Justiz Zwangsgeld und Erzwingungshaft bis zu sechs Monaten verhängen.
Auch die JuristInnen sehen die ZeugInnenbefragung kritisch. Sie diene vor allem der Ausforschung des persönlichen und beruflichen Umfelds der Beschuldigten bis ins kleinste Detail, kritisiert Anwalt Alain Mundt. Dabei könnten Verhaltensweisen, die eigentlich völlig unverdächtig sind, wie eine Freundschaft und ein E-Mail-Kontakt mit einem der Beschuldigten, plötzlich strafrechtlich relevant werden.
Die Solidaritätsgruppen rufen für Samstag um 13 Uhr vor der JVA Moabit (Alt-Moabit 12) zu einer Kundgebung für die drei Inhaftierten auf.