15000 kontra Spitzelstaat

Unter dem Motto »Meine Daten gehören mir!« haben am Samstag in Berlin Tausende gegen die Pläne der Bundesregierung protestiert, der Polizei den elektronischen Zugriff auf die intimste Privatsphäre der Bürger zu ermöglichen. Zu der Demonstration hatte ein breites Bündnis von etwa 50 Organisationen aufgerufen, darunter ATTAC, der Chaos-Computer-Club, Journalisten- und Ärzteverbände, die Gewerkschaft ver.di, der Bundes- und der Berliner Landesvorstand der Linkspartei sowie der Bundesvorstand der Grünen. Es wurden sogar einzelne Fahnen der FDP gesichtet, deren Berliner Landesverband ebenfalls aufgerufen hatte. Von Peter Wolter

Der Datenschutzbeauftragte von Schleswig-Holstein, Thilo Weichert, sagte anschließend zu tagesschau.de, dies sei die größte Demonstra­tion für Bürgerrechte und Datenschutz seit der Volkszählung 1987 gewesen. Ursprünglich hatten die Veranstalter mit etwa 3000 Teilnehmern gerechnet – es kamen dann aber bis zu 15000. Die Demonstration war nach Einschätzung von Teilnehmern mindestens so groß wie die vom Wochenende zuvor gegen den Afghanistan-Krieg. Nichtsdestoweniger verbreiteten noch am Sonntag abend diverse Online-Seiten bürgerlicher Medien, es seien nur 2000 Demonstranten gewesen. Mehrfach wurde auch unterschlagen, daß die Linkspartei, deren rote Fahnen unübersehbar den Protest prägten, mit zur Demo aufgerufen hatte.

Konkret wandten sich die Demonstranten unter anderem gegen die geplante Vorratsdatenspeicherung von Telefon- und Internet-Verbindungsdaten sowie Online-Durchsuchungen privater Computer. Thema war aber auch der Paragraph 129a, mit dessen Hilfe linke Aktivisten in die Terrorecke gestellt werden. In Anspielung an die von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und anderen Politikern geschürte Terrorangst sagte der Jurist Patrick Beyer vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung als Kundgebungsredner: »Wir dürfen uns nicht aus Angst vor dem Tod selbst umbringen.« Die Demokratie sei durch die Massenüberwachung der gesamten Bevölkerung gefährdet.

Kundgebung und Demonstrationsauftakt verliefen weitgehend friedlich– bis allerdings die wegen ihrer Prügelorgien berüchtigte Berliner Polizei etwa nach der Hälfte der Wegstrecke unprovoziert den antikapitalistischen Block mit Schlagstöcken und Pfefferspray angriff – ausgerechnet in Höhe des Denkmals gegen die Bücherverbrennungen der deutschen Faschisten. Einer der vermummten Beamten soll Demonstranten dabei gar als »Judensau« angegröhlt haben– gegen ihn soll Strafanzeige erstattet werden. Aus Sorge um die Sicherheit der Demonstranten löste sich der Block auf.

Zahlreiche Teilnehmer trugen aus Pappe gefertigte Masken mit dem Konterfei des Bundesinnenministers als Ini­tiator der immer wieder neuen Bespitzelungsvorhaben. Etwa 1500 der mit dem Spruch »Selber Terror« versehenen Masken waren als Beilage zu den jW-Werbeexemplaren verteilt worden. Viele Demonstranten trugen Aufkleber oder Plakate mit dem Schäuble-Porträt und dem Zusatz »Stasi 2.0«. Kritik gab es allerdings auch am Berliner Landesverband der Linkspartei, der zwar einerseits zu den Protesten mit aufgerufen, andererseits dem neuen Berliner Polizeigesetz zugestimmt hat, das u. a. die massive Videobespitzelung im öffentlichen Raum vorsieht. Bemängelt wurde auch, daß die mitdemonstrierende Politprominenz der Berliner Linkspartei offenkundig keinen Versuch unternommen hat, die Polizei zur Mäßigung zu bewegen.