Einzelhaft in Moabit
Seit einer Woche befinden sich vier Männer in Haft, die von der Bundesanwaltschaft der »Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung« nach Paragraph 129 a des Strafgesetzbuches verdächtigt werden. Florian L., Axel H. und Oliver R. waren nach Polizeiangaben bei dem Versuch festgenommen worden, Bundeswehr-Fahrzeuge auf einem MAN-Firmengelände in Brandenburg an der Havel anzuzünden. In Berlin wurde anschließend bei einer Razzia der an der Humboldt-Universität als Stadtsoziologe lehrende Andrej H. festgenommen.
Allen vier wird vorgeworfen, der »Militanten Gruppe« (mg) anzugehören, die seit 2001 eine Vielzahl von Brandanschlägen begangen haben soll. Die Festgenommenen wurden wie Topterroristen im Hubschrauber zur Bundesanwaltschaft nach Karlsruhe geflogen und sitzen inzwischen in Einzelzellen im Berliner Gefängnis Moabit in Untersuchungshaft. Zu den Vorwürfen schweigen sie.
Das versuchte Anzünden dreier Lastkraftwagen sei Brandstiftung und kein Terrorismus, Untersuchungshaft sei daher nicht gerechtfertigt, kritisieren die Anwälte der Inhaftierten. Zwar kamen bislang keine Personen bei einem der »mg« zugerechneten Anschläge zu Schaden, doch die Bundesanwaltschaft leitet die Einstufung der Gruppe als terroristisch aus einem Anschlag auf das Polizeipräsidium Berlin-Tempelhof ab, in dem sich zur Tatzeit Menschen aufhielten.
Der »mg« zugeordnet werden die Verhafteten, da diese Gruppe nach Meinung der Bundesanwaltschaft ein Monopol auf militante Bundeswehrkritik zu haben scheint. Dagegen äußerte ein Verfassungsschutzmitarbeiter gegenüber der Tageszeitung Die Welt Zweifel, ob es überhaupt eine fest strukturierte »Militante Gruppe« gäbe oder mehrere Gruppierungen sich dieses Namens bedienten.
In Berlin, Hamburg und bei der ATTAC-Sommerakademie in Fulda, wo der Verhaftete Andrej H. referieren sollte, kam es in den vergangenen Tagen zu Protestkundgebungen. Kritik gibt es insbesondere wegen der absurden Vorwürfe, mit denen die Haft von Andrej H. begründet wird. Er sei als promovierter Politologe intellektuell in der Lage, die Bekennerschreiben der »mg« zu verfassen, und ihm stände die dafür notwendige Institutsbibliothek zur Verfügung. Eine von ihm geschriebene wissenschaftliche Abhandlung enthalte zudem Themen und Schlagwörter, die auch in den Bekennerbriefen der »mg« vorkämen. »Mit solchen und ähnlichen Begründungen entsteht die Gefahr, daß jede kritische Gesellschaftsanalyse und jeder Zugang zu Wissen und Bildung bei der Bundesanwaltschaft den Anfangsverdacht des Terrorismus provozieren«, warnte die Geschäftsführerin der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Evelin Wittich. In ähnlicher Weise äußerte sich der Wissenschaftliche Beirat von ATTAC.
Durch die Konzentration auf den Wissenschaftler H. könnten die drei anderen Gefangenen in den Hintergrund treten, warnte die Linksfraktionsabgeordnete Ulla Jelpke. Auch bei der Inhaftierung dieser drei ohne nachweisbare Fluchtgefahr zeige, wie von deutschen Ermittlungsbehörden unverhältnismäßig und ohne Rücksicht auf den Rechtsstaat die Terrorismuskeule gegen unliebsame Tatverdächtige geschwungen werde. Jelpke forderte die Aufhebung der »allein durch Ausnahmegesetze des begründeten Haftbefehle«. Die Gefahr der Unterscheidung in gute und böse Verdächtige wird auch auf der Solidaritätswebsite soli.blogsport.de gesehen. Die Bekanntheit von H. als Aktivist, Autor und Wissenschaftler gelte es zu nutzen, um Solidarität mit allen von Repression Betroffenen zu entwickeln, heißt es dort.