Das linke Terror-Phantom wird greifbar

Sechs Jahre lang war die "militante gruppe" auf dem besten Weg, ein Phantom zu werden. Zwar versendete die linksextremistische Untergrundorganisation immer mal wieder Bekennerschreiben zu Brandanschlägen auf Autos und Gebäude. Zwar meldete sich die Gruppe regelmäßig in autonomen Postillen zu Wort, um die "Sozialrevolution" auszurufen. Festgenommen aber wurde über all die Jahre keiner der Täter. Das könnte sich nun geändert haben: Am Donnerstag meldete die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe, erstmals seien ihr vier mutmaßliche Mitglieder der "militanten gruppe" (mg) ins Netz gegangen. VON JÖRG SCHINDLER

Drei von Ihnen - Florian L. (35), Oliver R. (35) und Axel H. (46) - sollen in der Nacht zum Dienstag in Brandenburg an der Havel versucht haben, drei Lastwagen der Bundeswehr in Brand zu setzen. Das Vorhaben, so die Ermittler, sei gerade rechtzeitig von der Polizei vereitelt worden.

Tags darauf durchsuchten Beamte in Berlin die Wohnungen von vier weiteren Verdächtigen und verhafteten den 36-jährigen Andrej H. Alle sieben waren offenbar seit längerem beobachtet worden. Gegen die vier Festgenommenen erließ der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof am Mittwoch Haftbefehle. Der Vorwurf ist nicht unerheblich - er lautet auf Bildung einer terroristischen Vereinigung nach Paragraf 129a.

Es wäre, wenn es sich bewahrheitet, ein empfindlicher Schlag gegen eine Gruppe, die der Polizei zuletzt erhebliche Probleme bereitete. Erstmals war die "militante gruppe" im Juni 2001 in Erscheinung getreten. Seinerzeit versendete sie unter anderem einen Drohbrief an den damaligen Regierungsbeauftragten für die Entschädigung von Zwangsarbeitern, Otto Graf Lambsdorff. Titel des Schreibens, das eine scharfe Patrone enthielt: "Auch Kugeln markieren einen Schlussstrich."

Brandanschläge auf Autos

Seither soll die Gruppe rund zwei Dutzend Brandanschläge gegen Fahrzeuge sowie gegen Polizei-, Justiz- und Verwaltungsgebäude verübt haben. In der gewaltbereiten autonomen Szene machte sie sich zudem einen Namen, indem sie wiederholt zu "gruppenübergreifenden militanten Kooperationen" aufrief.

Insbesondere der G8-Gipfel in Heiligendamm sollte dafür als "Testlauf" dienen. Tatsächlich stieg die Zahl der Anschläge auf Autos seither erheblich, vor allem in Berlin. Die Täter, offenbar sogenannte Feierabendterroristen, wurden jedoch nicht gefasst.

Bereits im Mai schien die Bundesanwaltschaft kurz vor einem Erfolg zu stehen: Damals ließ die Karlsruher Behörde eine bundesweite Razzia durchführen und teilte mit, drei mg-Mitglieder seien ihr namentlich bekannt. Diese seien jedoch "nicht identisch" mit den vier nun Festgenommenen, sagte ein Behördensprecher der Frankfurter Rundschau. Welche Indizien im Einzelnen für die Mitgliedschaft in der "militanten gruppe" sprächen, könne man derzeit nicht preisgeben. Es gebe jedoch "eine Vielzahl von Parallelen" zu den Anschlägen der Organisation.

Die Anwälte der Verdächtigen bestritten unterdessen vehement, dass ihre Mandanten einer terroristischen Vereinigung angehörten. Keiner sei vorbestraft, alle lebten in geordneten sozialen Verhältnissen. "Es gibt keine Beweise", sagte Oliver R.s Verteidiger Sven Lindemann am Donnerstag der FR, "nur eine Reihe von Spekulationen, Zirkelschlüssen und unhaltbaren Vorwürfen."

"Völlig überkandidelt"

So sei etwa Andrej H. nur verhaftet worden, weil er sich im Frühjahr 2007 zweimal angeblich konspirativ mit Florian L. getroffen habe. Ein weiterer Mann sei nur deshalb in Verdacht geraten, weil er als promovierter Politologe dazu in der Lage sei, die "anspruchsvollen Texte" der "militanten gruppe" zu verfassen. "Völlig überkandidelt", kritisiert Verteidiger Lindemann, sei auch der Abtransport der Verdächtigen per Hubschrauber gewesen.

In einer gemeinsamen Erklärung bezichtigen die acht Anwälte die Bundesanwaltschaft, "ohne rechtsstaatliche Skrupel" zu handeln. Es zeige sich "einmal mehr, wie deutsche Strafverfolgungsbehörden mit dem Terrorismus-Sondergesetzen in unverhältnismäßiger und rechtlich haltloser Weise gegen missliebige Tatverdächtige vorgehen".