Militante Gruppe: Schlag gegen Berliner Linksextremisten
Den Strafverfolgungsbehörden könnte mit den Festnahmen von Florian L. und Oliver R. (beide 35) und dem 46-jährigen Axel H. am Dienstag in Brandenburg/H. der erste große Ermittlungserfolg gegen die „Militante Gruppe“ (mg) gelungen sein. Wie der vierte Beschuldigte Andrej H. (36) stehen sie in dem Verdacht, Aktivisten der Gruppierung zu sein, die erstmals 2001 in Erscheinung getreten war. Dass es trotz erheblicher Anstrengungen dazu sechs Jahre brauchte, die offensichtlich hinter bürgerlicher Fassade operierenden „Feierabendterroristen“ zu fassen, galt selbst in Sicherheitskreisen nicht gerade als Ruhmesblatt.
Die Festnahme der vier Männer erfolgte am Dienstag in Brandenburg/H.. Dort soll das Quartett nach Feststellung der Bundesanwaltschaft versucht haben, mehrere Fahrzeuge der Bundeswehr in Brand zu setzen. Auf die Spur der Männer sind die Behörden offenbar bei umfangreichen bundesweiten Durchsuchungsaktionen am 9. Mai gegen G-8-Gegner und militante Linke gekommen. Beamte des Bundeskriminalamtes hatten allein in Berlin und Brandenburg 18 Objekte und Wohnungen von tatsächlichen oder vermeintlichen Angehörigen der gewaltbereiten linksradikalen Szene durchsucht. In Kreuzberg das alternative Kulturzentrum Mehringhof, das Künstlerhaus Bethanien sowie Objekte in der Lausitzer oder Adalbertstraße. Sichergestellt wurden Web-Seiten, Mailing-Listen und Mail-Adressen.
Razzia in Buchladen
Von den vier mutmaßlichen Linksextremisten ist bislang nur wenig bekannt: Oliver R. hat seit mehr als einem Jahr in einem Antiquariat gearbeitet. „Zwei Tage in der Woche hat er sich um die Registratur gekümmert“, so der Geschäftsinhaber Christian Bartsch. Mehr mag er über das mutmaßliche mg-Mitglied „aus Rücksicht auf dessen Mutter“ nicht über den 35-Jährigen sagen. Seit sieben Jahren bietet der Laden in einem renovierten Altbau-Wohnhaus an der Rungestraße Lektüre aller Art feil. Linke Literatur und Werke von Philosophen bilden indes den Schwerpunkt, Bücher die im weitesten Bereich Sozialismus/Arbeiterbewegung zuzurechnen sind. Antifa-Ratgeber geben Tipps zu Fragen wie etwa dem Verhalten nach einer Festnahme auf einer Demo. Am Dienstagabend hatten Ermittler von BKA und LKA Berlin dem Antiquariat einen Besuch abgestattet. Ziel: Datenkopien eines PC sichern, zu dem Oliver R. Zugang hatte.
Erstmals in Erscheinung getreten war die „militante gruppe“ mit der Versendung von Drohbriefen im Juni 2001, denen scharfe Kleinkaliberpatronen beigefügt waren. Adressaten waren die Regierungsbeauftragten für die Entschädigung der Zwangsarbeiter, Otto Graf Lambsdorff, und die Repräsentanten der „Stiftungsinitiative der Deutschen Wirtschaft“, Wolfgang Gibowski und Manfred Gentz. Als Begründung für die Schreiben führte die Gruppe an, dass die geplante Entschädigungssumme von 10 Milliarden D-Mark nicht ausreichend sei.
Im gleichen Monat, am 22. Juni, folgte dann der erste Brandanschlag der mg auf ein Fahrzeug der Daimler Benz-Niederlassung in Marienfelde. Zu mindestens zehn weiteren Brandanschlägen allein in Berlin und Umgebung, unter anderem auf die italienische Handelskammer hat sich die Gruppierung in der Folge schriftlich bekannt.
Serie von Anschlägen
Der letzte gelungene Brandanschlag der mg in Berlin war in der Nacht zum 18. Mai in Spandau erfolgt, gut eine Woche nach den bundesweiten Razzien. Ein Mercedes-Bus und ein Streifenwagen der Polizei gingen vor der Wache des Abschnitts 23 an der Schmidt-Knobelsdorff-Straße in Flammen auf. Als Tatmittel sei nach Angaben des Bundeskriminalamtes der so genannte „Nobelkarossentod“ verwendet worden. Dabei handelt es sich um einen Brandsatz, dessen Bestandteile in einem handelsüblichen Postnormpaket verbaut sind. Vereinzelt sind auch lediglich Brandbeschleuniger wie Benzin eingesetzt worden, um Gegenstände oder Fahrzeuge in Brand zu setzen.
Vier Tage später gingen diversen Berliner Tageszeitungen identische Bekennerschreiben zu dem Spandauer Anschlag ein. Eine Tag zuvor musste Berlins Polizeipräsident Dieter Glietsch eine Panne einräumen: Der Anschlag war zwar von einer Kamera erfasst worden, die Videoaufnahmen jedoch nicht gespeichert wurden. Zudem habe kein Beamter zur Tatzeit auf den Beobachtungsmonitor gesehen. Eine seltene Chance, Bilder von Mitgliedern dieser Terrorgruppe zu sichern, sagte ein Sicherheitsexperte. Denn zu den Mitgliedern der „mg“ gibt es so gut wie keine Hinweise.
Die Sicherheitsbehörden hoffen jetzt, durch die vier Festnahmen etwas mehr über Strukturen und Stärke der Gruppe zu erfahren. „Momentan gibt es noch sehr unterschiedliche Auffassungen darüber, wer sich hinter der „mg“ verbirgt. Wir wissen nicht, ob es eine fest gefügte Organisation ist oder eine mehr oder minder lose Gruppierung. Jetzt kommt hoffentlich Licht ins Dunkel“, sagte ein Verfassungsschützer.