Harms verteidigt Haftbefehle
Die Zahl der Unterstützer, die die Einstellung der §129a-Verfahren wegen Bildung einer terroristischen Organisation gegen sieben Berliner fordern, wächst weiter. Den sieben Männern wird vorgeworfen, der linksradikalen »militanten gruppe (mg)« anzugehören, die sich selber mit Bekennerschreiben seit 2001 zu einer Anzahl von Brandanschlägen bekannt hatte. Drei Beschuldigte waren Anfang August in Brandenburg festgenommen worden, als sie versucht haben sollen, Bundeswehrfahrzeuge auf einem Werkstattgelände in Brand zu stecken.
Am Wochenende schloss sich die Stiftung Haus der Demokratie und Menschenrechte einem offenen Brief an, der sich an die Generalbundesanwaltschaft (BAW) in Karlsruhe richtet. »Es häufen sich Fälle, bei denen Polizei, Geheimdienste und Justiz kritische Publizistik und Wissenschaft, verbunden mit praktischem sozialen Engagement, in die Nähe potenziellen Terrorismus rücken«, moniert die Stiftung in einer Stellungsnahme. In der Erklärung wird zudem die Einstellung der §129a-Verfahren und die Freilassung der Beschuldigten gefordert.
Hintergrund des Schreibens des Hauses der Demokratie ist auch der Vorwurf gegen den 36-jährigen dreifachen Familienvater Andrej H., dem die BAW vorhält, angeblich der »intellektuelle Kopf« der »militanten gruppe« zu sein. Der renommierte Stadtsoziologe der Humboldt-Universität war vergangene Woche aus der U-Haft in Berlin-Moabit entlassen worden, nachdem es einen nationalen und internationalen Proteststurm von Akademikern aufgrund seiner Verhaftung gegeben hatte.
Die Vorwürfe gegen H. machen sich an angeblichen konspirativen Treffen mit einem der drei anderen in U-Haft sitzenden Personen fest, auch an seiner Arbeit als kritischer wissenschaftlicher Schreiber, der sich mit Stadtentwicklung beschäftigt. Als Autor hatte sich Andrej H. an der im Haus der Demokratie erscheinenden Zeitschrift »telegraph« beteiligt, die aus dem wichtigsten Informationsorgan der DDR-Opposition, den »Umweltblättern«, hervorgegangen war. Insbesondere die Auseinandersetzung mit den städtischen Veränderungen in Prenzlauer Berg und der »Gentrification«, einem englischen Begriff für die Verdrängung alteingesessener Bewohner und der Aufwertung eines städtischen Raumes, ließen den Soziologen offenbar ins Ziel der Fahnder des Bundeskriminalamtes (BKA) rücken.
Gegen die Haftverschonung für Andrej H. durch den Bundesgerichtshof hatte die Bundesanwaltschaft umgehend Beschwerde eingelegt. Gestern legte Generalbundesanwältin Monika Harms noch einmal nach: »Es sind keine dummen Bubenstreiche, wenn Bundeswehrfahrzeuge angezündet werden«, sagte sie der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung«.
Auch den Haftbefehl gegen den gegen Kaution und Auflagen entlassenen Soziologen Andrej H. verteidigte Harms. »Der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof erlässt keine Haftbefehle nur aufgrund von wissenschaftlichen Veröffentlichungen, wie es in manchen Medien unterstellt wurde.« Es gebe hingegen konkrete Anhaltspunkte für »konspirative Verbindungen« zwischen dem Wissenschaftler und einem der drei anderen verhafteten mutmaßlichen Mitglieder der »militanten gruppe«.
Ob diese angeblichen Treffen jedoch als konspirativ zu werten seien, hatte die Anwältin des Stadtsoziologen Andrej H., Christina Clemm, stets bestritten. Wobei die BAW das Konspirative der Begegnungen daran fest macht, dass der Soziologe vorgeblich sein Mobiltelefon nicht dabei gehabt haben soll. Ein schwerwiegender Vorwurf, aus dem die Staatsanwälte nämlich die Mitgliedschaftsbeschuldigung gegen Andrej H. ableitet.
So heißt es in einer Erklärung der Anwälte, von denen viele dem Republikanischen Anwälte- und Anwältinnenverein (RAV) angehören, über die Vorwürfe der BAW: »Die einzigen beiden Treffen zwischen diesen Personen sollen konspirativ vereinbart worden sein. Die Behörden haben keinerlei Erkenntnis darüber, was bei den Treffen im Februar und April 2007 überhaupt besprochen worden sein soll.« Dass daraus der Terrorismusvorwurf abgeleitet wird, lehnen die Anwälte genauso ab wie überhaupt die Anwendung des Paragrafen §129a.