Das zarte Pflänzchen der Solidarität

Oft ist Solidaritätsarbeit mit von politischer Repression betroffenen Menschen eine lästige Pflichtübung. Meist lösen sich die temporären Zusammenhänge, die sich dazu bilden schnell wieder auf, ohne ihre Arbeit öffentlich nachzubereiten. Da ist es schon ein lobenswertes Unterfangen, dass die Solidaritätsgruppe mit den Menschen, die wegen der militanten Gruppe in die Mühlen der Repressionsorgane geraten sind, jetzt eine Broschüre herausgegeben haben, in der sie transparent und selbstkritisch eine Bilanz ihrer Aktivitäten zieht und zur Diskussion stellt. Das Bändchen ist im neuen linken Verlag, der edition assemblage, herausgegeben worden.

Die Autor_innen gehen noch einmal auf die spezifischen Bedingungen des mg-Verfahrens ein, die für große Publicity aber auch für besondere Schwierigkeiten sorgten. Unter dem in der Nacht zum 1. August 2007 verhafteten Linken befand sich auch ein bekannter Wissenschaftler. Viele seiner Kolleg_innen bis auch weit ins linksliberale Spektrum solidarisierten sich mit ihm. Bald wurde auch in liberalen Medien die Frage diskutiert, ob man schon ins Visier des Staatsschutzes gerät, wenn man in seinen Texten den Begriff Gentrication verwendet. – „Wir sind alle 129a“, lautet die Kurzformel einer verkürzten Repressionskritik, die auch noch manchem Liberalen eine Prise Radikalität auf das Haupt streut. Als vor 10 Jahren Menschen mit kurdischen Hintergrund gegen das PKK-Verbot mit der Parole „Wir sind alle PKK“ protestierten, war das insofern näher an der Realität, als sie tatsächlich schnell in diese Ecke geschoben mit allen politischen und juristischen Folgen. Dem liberalen Stadtforscher Hartmut Häußermann würde ein solches Bekenntnis hingegen vor allem Anerkennung bei den Resten der kritischen Wissenschaft bescheren.

Die Autor_innen beschreiben, wie das Medieninteresse an den verfolgten Wissenschaftlern immer in Gefahr stand, der Entsolidarisierung mit den drei Männern Vorschub zu leisten, die nicht nur keine akademische Karriere vorweisen konnten, sondern auch noch in unmittelbarer Nähe eines Anschlagsorts verhaftet worden sind. Dass es zu dieser Spaltung nicht kam, lag auch daran, dass alle Betroffenen sich solchen Versuchen verweigerten. Dass das Verhältnis sowohl unter den Beschuldigten als auch den Unterstützer_innen nicht konfliktfrei war, wird in der Broschüre ausführlich dargelegt. Aber auch die in Brandenburg verhafteten Nichtakademiker agierten nicht als geschlossener Block. In dem Text wird immer mal die Enttäuschung formuliert, dass ihree Beteiligung an der Solidaritätsarbeit nachließ, vor allem nach das Verfahren im fortgeschrittenen Stadium war. Bei manchen Solidaritätsaktiv_innen führte die schwache Präsenz der Betroffenen sogar zum eigenen Rückzug aus der Solidaritätsarbeit. Dass ist nicht leicht zu versehen. Denn, so wichtig es ist, die Solidaritätsarbeit mit den Betroffenen zu organisieren, so unverständlich ist es, daraus eine Aufforderung zur ständigen Beteiligung an der konkreten Aktivität der Soligruppe abzuleiten.

Kriegsgerät interessiert uns brennend

Schließlich ging es neben der konkreten persönlichen Solidarität immer auch um eine politische Positionierung. So wurde mit mehr oder weniger großen Erfolg versucht, die Frage einer antimilitaristischen Praxis, die sich nicht in der Beteiligung an Ostermärschen erschöpft, stärker in die Diskussion zu rücken. Einer der Höhepunkt war eine Veranstaltung, in der Linke aus unterschiedlichen Ländern über die Zerstörung von Kriegsgerät berichteten. In Irland gab es sogar ein Gericht, das diesen Aktivitäten den Stellenwert eines zivilen Ungehorsams einräumte. Das ist weit von deutschen Zuständen entfernt und die Frage ist auch hier immer, was kann aus einer noch so erfolgreichen Veranstaltung in den politischen Alltag übernommen werden. Zumindest im Bereich der Slogans scheint es gelungen. Die Parole „Kriegsgerät interessiert uns brennend“ war zeitweise auf vielen Aufklebern zu lesen. Ein Verfahren gegen zwei Aktivist_innen, die solche Aufkleber anpappten, endete mit einer Einstellung, was in den Medien für Aufmerksamkeit sorgte. Hier gab es durchaus Momente einer Antirepressionsarbeit, die über die Solidarität mit den von Repression Betroffenen hinausgeht.

Ende einer Dienstfahrt

Leider kommen in der Broschüre die kulturellen Interventionen etwas zu kurz. Dabei zeichnete die Solidaritätsarbeit aus, dass sie diesen Bereich nicht vergessen hat. So wurde ein Infoblatt „Ende einer Dienstfahrt“ genannt, in Erinnerung an einen Roman von Heinrich Böll, der Mitte der 60er Jahre ein Strafverfahren gegen einen Vater und seinen Sohn schilderte, die ein Bundeswehrjeep brennend interessiert hatte.

Diese Verknüpfung hat sicherlich geholfen, die politische Problematik für Menschen interessant zu machen, die mit Heinrich Böll vor allem den Namensgeber einer grünennahen Stiftung, den guten Mann von Köln und den Literaturnobelpreisträger assoziieren. Kritischer als die Autor_innen würde ich hingegen die filmische Aufarbeitung des Falls Andrej H. durch Hans Weingarten sehen. Er hatte seinen Kurzfilm „Der Gefährder“ an den Fall assoziiert, dabei allerdings gerade die unspezifische Kritik gewählt, vom engagierten Wissenschaftler, der unschuldig in die Mühlen der Justiz gerät und von der verzweifelten Lebensgefährtin daran gehindert wird, nach seiner Freilassung weiter zu Politiktreffen zu gehen. Wie schon in Weingartens Erfolgsfilm „Die fetten Jahre sind vorbei“ sind es auch wieder Frauen, die in die Rolle der Bremsenden hingestellt werden. Leider wird der wirklich sehenswerte Film „Tag der Spatzen“ von Philipp Scheffner, der eine besondere Sicht auf das Verfahren hat, nur in einer kleinen Notiz erwähnt.

Positiv zu erwähnen ist auch der Umgang der Soligruppe mit Kritiker_innen wie der Politologin Detlef Georgia Schulze, die im Rahmen einer Veranstaltung ( interkomm.so36.net/archiv/2008-11-05/2008-11-05.php) der Internationalen Kommunst_innen ihre staatstheoretische Intervention formulierte, die sie zu einer Broschüre (interkomm.so36.net/archiv/2008-08-30/nse.pdf) ausweitete. Detlef Georgia Schulze wird ebenso wie Philipp Scheffner am 18. Mai im Kreuzberger Südblock am Podium sitzen, wenn die Broschüre zur Diskussion gestellt wird. Es ist zu hoffen, dass sie auch außerhalb Berlins für Diskussionen sorgt.

interkomm.so36.net/archiv/2008-11-05/2008-11-05.php

Veranstaltung:

18. Mai | 19.30 Uhr | Südblock | Admiralstraße 1-2 | U-Bhf. Kottbusser Tor
| Berlin-Kreuzberg

Bündnis für die Einstellung der §129(a)-Verfahren (Hg.).“Das zarte Pflänzchen der Solidarität gegossen. Zu den Verfahren und dem Prozess wegen Mitgliedschaft in der militanten gruppe (mg)“, ISBN 978-3-942885-00-3, edition assemblage, 86 Seiten, 4.80 Euro

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