Ein historisches Zeitdokument gegen staatliche Repression
Als im Jahr 2007 vier Berliner wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (§129a StGB) namens "militante gruppe" (mg) inhaftiert wurden, gründete sich aus der linken Bewegung ein Bündnis, das Solidarität für die Kriminalisierten organisierte. Dieses Bündnis für die Einstellung der §129(a)-Verfahren hat seine eigene, mehrjährige Arbeit kritisch reflektiert und sie in diesem Büchlein der interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Zu den vier Verhafteten gehörte der Sozialwissenschaftler Dr. Andrej Holm. Unmittelbar nach der Inhaftierung protestierten weltweit kritische Wissenschaftler für die Freiheit ihres Kollegen. Die Bundesanwaltschaft geriet unter Druck und musste drei Wochen später Herrn Holm aus der Untersuchungshaft in Berlin-Moabit entlassen. Das Verfahren gegen ihn ist inzwischen eingestellt: Es gab keinen hinreichenden Tatverdacht. So geschieht es in über 90 Prozent aller eingeleiteten Ermittlungsverfahren nach §129(a), weshalb das Bündnis zurecht von einem Ermittlungs- und Ausforschungsparagraphen spricht.
Auch die anderen drei Verhafteten wurden drei Monate später entlassen. Der Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung nach §129a war nicht länger haltbar. Die Bundesanwaltschaft hatte sich erneut mit ihren Konstrukten und jahrelangen Überwachungsmaßnahmen (die seit 2001 laufen und hunderte von Menschen direkt betrafen) blamiert.
Das Berliner Bündnis für die Einstellung der §129(a)-Verfahren kann also auf Erfolge zurückblicken. Es hat über drei Jahre gegen staatliche Repression, Kriminalisierung und Gefängnishaft gearbeitet, Veranstaltungen und Rundreisen organisiert, einen politischen Gerichtsprozess begleitet und diesen öffentlichwirksam skandalisiert. Es konnte aufdecken, dass das Bundeskriminalamt (BKA) mit militanten Textbeiträgen in der Berliner Szenezeitschrift "Interim" die linke Bewegung zu provozieren versuchte. Dennoch endete der Indizien-Prozess gegen die drei ehemaligen U-Haft-Gefangenen mit einer Verurteilung wegen versuchter Sabotage an Bundeswehr-LKW. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Das Bündnis setzte sich vehement für Menschenrechte, gegen den Überwachungsstaat, gegen die Militarisierung der Gesellschaft und den Bundeswehreinsatz in Afghanistan ein. Aus den Ermittlungen, die das Bundesamt für Verfassungsschutz angestoßen hatte, zieht das Einstellungsbündnis den Schluss, dass diese Geheimdienstbehörde demokratischen Verhältnissen zuwider läuft. Es schließt sich Forderungen von z.B. Rolf Gössner nach Abschaffung des Verfassungsschutzes an.
Das Büchlein streift auch die sozialen, politischen und militanten Widerstandsbewegungen der 2000er Jahre und ist damit ein wichtiges Dokument der Zeitgeschichte, das auf dem Buchmarkt seinesgleichen sucht. Äußerst selten resümieren politisch Aktive aus den Bewegungen öffentlich ihre Arbeit. Das Büchlein will auch ein Lehrbuch sein. Es adressiert all jene, die sich solidarisch verhalten wollen gegen die staatliche Erfassung und Überwachung von politisch aktiven Menschen.