Muppets und andere Puppen

Zu den Verflechtungen zwischen BKA, Bundesanwaltschaft und Verfassungsschutz bei den Ermittlungen zur »militanten gruppe« (1)

Der Prozess gegen drei Berliner Antimilitaristen zeigt: Ist der Repressions-Apparat erst einmal auf die Spur gesetzt, kommt das gesamte umfangreiche Arsenal polizei- und geheimdienstlicher Ermittlungsmethoden zum Einsatz – inklusive Desinformation.

Axel, Oliver und Florian wurde nach ihren Festnahmen Ende Juli 2007 vorgeworfen als Mitglieder der »militanten gruppe« (mg) in Brandenburg/Havel Bundeswehrfahrzeuge angezündet zu haben. Die mg hatte sich seit 2001 zu zahlreichen nächtlichen Brand- und Farbbeutelanschlägen auf staatliche Behörden und Fahrzeuge zu den Themen Sozialabbau, staatlicher Rassismus, Krieg, Militarisierung, Sicherheitswahn, Überwachung und politische Repression bekannt. Im Oktober 2009 hat die Gruppe ihre Auflösung erklärt.

Am Prozessende standen hohe Haftstrafen: Am 16. Oktober 2009 vergangenen Jahres wurden sie vom Berliner Kammergericht zu drei bzw. dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Immer wieder hatten die AnwältInnen während des Prozesses gemeinsam mit dem Einstellungsbündnis die Rolle des Verfassungsschutzes (VS) und seine Verflechtungen mit dem Bundeskriminalamt (BKA) und der Bundesanwaltschaft (BAW) kritisiert.

Schon 2001, bei den ersten Ermittlungen gegen die mg, hatte der Verfassungsschutz den entscheidenden Tipp gegeben und das BKA aufgefordert zu ermitteln. Die Folgen: Gegen drei Personen wurde 2001 ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Nach zwei Jahren musste das BKA feststellen, dass die umfangreichen Ermittlungen zu keinerlei brauchbaren Erkenntnissen geführt hatten. Das Verfahren wurde dennoch erst fünf Jahre später eingestellt. Am Ende hieß es lapidar: Der Anfangsverdacht habe nicht erhärtet werden können.

Im Verfahren gegen Axel, Oliver und Florian tauchte der Verfassungsschutz schon mit der Anklageschrift auf. Die Bundesanwaltschaft zauberte darin einen »Zeugen« – sprich einen Spitzel – aus dem Hut. Der könne bezeugen, dass die drei Angeklagten Mitglieder der mg seien. Das liest sich dann so: »Mit Behördenzeugnis vom 25. Februar 2008 teilt das BfV (2) mit, dass nach dort vorliegenden, vertraulichen, allerdings noch unbestätigten Informationen die Angeschuldigten (...) der ›militante(n) gruppe (mg)‹ angehören sollen. Die Quelle wird seitens des BfV als im Allgemeinen zuverlässig berichtend und nachrichtenehrlich eingestuft.« Nachfragen ergaben, dass der vermeintliche Spitzel diese Aussage nur durch »Hörensagen« absichern konnte. Überprüfbar ist auch diese Information nicht. Im Gegenteil, sie lässt Raum für Spekulationen. Und vielleicht war das auch der Sinn: einerseits konnte die Anklage untermauert werden, andererseits sorgt eine solche Information auch für Verunsicherung.

Im weiteren Verlauf des Prozesses wurde die Rolle des vermeintlichen Spitzels unwichtiger. Deutlicher wurde aber: Der Inlandsgeheimdienst war nicht nur initiativ in Sachen mg, er hat das Verfahren auch maßgeblich beeinflusst, wenn nicht sogar gesteuert.

Denn es gab bereits während der Ermittlungen und trotz Trennungsgebot (siehe Kasten) zwischen Geheimdienst und Polizei einen regen Austausch zwischen dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), dem BKA als Polizeibehörde und der BAW. Das bestätigte der Bundesanwalt Herbert Diemer gegenüber der Berliner rbb-Abendschau. Demnach gab es ein
»Vorbereitungstreffen« von MitarbeiterInnen des BKA, bei dem Unterlagen des BfV übergeben wurden.

Auch Ulrike Alles, Ermittlungsleiterin beim BKA, bestätigte vor Gericht, dass Akten des Verfassungsschutzes zwischen ihrer Behörde, der Bundesanwaltschaft und dem VS hin und her gereicht wurden. So berichtete die Kriminalkommissarin von einem »Panzerschrank« in ihrer Dienststelle, in dem »nicht gerichtsverwertbare« Akten des BfV verwahrt würden. Mit anderen Worten: ein Giftschrank, in dem alles landet, was VS und BKA, aber auch die BAW, der Öffentlichkeit vorenthalten wollen. Bestimmte Unterlagen würden, so erklärte die BKAlerin das Prozedere, an die BAW geschickt. Diese würde beim VS vorstellig, um zu klären, ob die Akten für das Verfahren verwendbar gemacht werden könnten. Dazu muss die Geheimhaltung aufgehoben werden. Aber wer entscheidet das? Und was, wenn der VS eine Umwidmung der Geheimhaltungsstufe verweigert? Die Aktenvermerke und Zeugenaussagen lassen nur einen Schluss zu: Was gerichtsverwertbar ist, entscheidet der Verfassungsschutz.

»Manche halten das Trennungsgebot zwischen Polizei und Nachrichtendiensten ja für einen Verfassungsgrundsatz«, erklärte der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble auf einem BND-Symposium am 1. November 2007 in Berlin. Die logische Fortsetzung dieses Satzes – »ich nicht« – hat sich Schäuble verkniffen. Die Debatte, ob das Trennungsgebot noch Verfassungsrang habe, ist seit Ende der 1990er Jahre weitgehend verstummt. Die Bundesregierung geht stattdessen den einfacheren Weg einer Umdefinition und erklärt: »Dem Informationsaustausch zwischen den Polizeien und Nachrichtendiensten von Bund und Ländern steht nach Ansicht der Bundesregierung weder das Föderalismusprinzip noch das Trennungsgebot entgegen.« Es ist Zeit, die Debatte wieder aufzunehmen.

Doch nicht nur der Geheimdienst hat sich ordentlich eingemischt. Mitspielen wollte wohl auch das BKA, als es sich mit zwei Texten an der sogenannten »Militanzdebatte« in der linken Szenezeitschrift »interim« beteiligt hat. Denn neben dem Nachrichtenwert des Spitzels stützte sich der Vorwurf der mg-Mitgliedschaft vor allem auf diverse Bekennerschreiben und Diskussionspapiere, die in linken Zeitschriften wie radikal oder interim veröffentlicht wurden. Im März musste das BKA ziemlich kleinlaut zugeben, dass es sich mit mindestens zwei Texten in die Debatte eingemischt hatte. Da waren sie, »Die zwei von der Muppet-Show«, so der vom BKA erdachte Gruppenname. Dass diese Fälschung publik wurde, ist einer peinlichen Panne beim BKA zu verdanken: Mit nachträglich eingeklagten Akten schickte das BKA versehentlich interne Aufzeichnungen, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren: »Nur für die Handakte: Der Text wurde vom BKA verfasst und an die Interim versandt, um eine Reaktion bei der ›militanten gruppe‹ zu provozieren«, heißt es in der Polizeiakte. Beim BKA wurden also parallele Geheimakten geführt.

Das alles sind schwere Verstöße gegen den Grundsatz der Waffengleichheit zwischen Anklagebehörde und Verteidigung. Die Anwälte haben bereits angekündigt, in Revision zu gehen. Allerdings fehlt die schriftliche Urteilsbegründung bis heute.

Verurteilt wurden Axel, Oliver und Florian auch, weil sie versucht haben sollen, Bundeswehrfahrzeuge unschädlich zu machen. Beweisanträge hierzu ließ das Gericht nicht zu, mit den möglichen Motiven wollte sich Richter Hoch lieber nicht beschäftigen. 1968 hieß es, die Freiheit Westberlins werde in Vietnam verteidigt. Heute wird die Freiheit Deutschlands am Hindukusch verteidigt. Die Profiteure dieser Kriege sind allgemein bekannt: Sie heißen Thyssen/Krupp, Krauss-Maffei-Wegmann/ Rheinmetall, MAN, Heckler & Koch usw. Sie stehen aber nicht vor Gericht, müssen sich nicht verantworten, sondern sind DAX-notiert, honorige Menschen, die Stützen der Gesellschaft eben.

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Das Trennungsgebot

Das Trennungsgebot beschreibt auf der Ebene eines Verfassungsranges die organisatorische Trennung zwischen Nachrichtendiensten und der Polizei. Demnach stehen der Polizei die Befugnisse der Nachrichtendienste grundsätzlich nicht zu und umgekehrt. Unter den so genannten Anti-Terrorgesetzen wird das Trennungsgebot allerdings seit 2001 faktisch außer Kraft gesetzt. Bürgerrechtler wie Rolf Gössner sprechen in diesem Zusammenhang von Tabubrüchen: Die institutionalisierte Zusammenarbeit der Polizei und der Geheimdienste sowie der intensivierte Datenaustausch widerspreche dem verfassungsmäßigen Trennungsgebot, einer Konsequenz aus den bitteren Erfahrungen mit der Gestapo der Nazizeit, das eine unkontrollierbare Machtkonzentration der Sicherheitsapparate verhindern sollte.

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Anmerkungen

(1) Die Bezeichnung 'militante gruppe' ist ein Pseudonym, unter welchem von 2001 bis
2007 mehrere Bekennerschreiben zu militanten Anschlägen, vor allem auf Bundeswehrfahrzeuge, veröffentlicht wurden. Ferner initiierte die 'mg' im gleichen Zeitraum die 'Militanzdebatte', bzw. den 'Runden Tisch der Militanten', eine Diskussion über Sinn und Zweck linker, militanter Politik. Diese wurde vor allem in den linken Szene-Zeitschriften 'Interim' (Berlin) und der 'Radikal' geführt.

(2) Bundesamt für Verfassungsschutz