Ehemalige DDR-Oppositionelle protestieren gegen 129a-Verfahren
Berlin (LiZ). Der Berliner Wissen- schaftler Andrej H., der wegen Ermittlungen der Karlsruher Bundesanwaltschaft nach dem Terrorismus- Paragraphen 129a aus von Kritikern als absurd bezeichneten Gründen wochenlang in der Untersuchungshaft in Berlin-Moabit festgehalten wurde, ist wieder auf freiem Fuß. Der Haftbefehl wurde gegen Geld- und Meldeauflagen außer Vollzug gesetzt. Das teilte unter anderem die Redaktion des "telegraph", bei der Andrej H. mitarbeitet, am Mittwochabend mit. Der "telegraph" war zu DDR-Zeiten eine Zeitschrift der Opposition. Insgesamt 80 internationale Journalisten, Künstler und Wissenschaftler bekennen in einer vom "telegraph" initiierten Erklärung: "Wir alle sind verdächtig." Sie protestieren gegen die Inhaftierungen und fordern die Einstellung des 129a- Verfahrens gegen insgesamt sieben betroffene Personen.
Einige der Erstunterzeichner haben vor dem Herbst 1989 in der DDR und in Polen ähnliches staatliches Vorgehen gegen Kritiker erfahren müssen. In der Erklärung heißt es dazu: "Die Parallelen sind erschreckend und alarmierend."
Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Die Linke), die sich ebenfalls für die Freilassung von Andrej H. eingesetzt hatte, sagte, es gebe noch keinen Grund für Entwarnung in dem Verfahren: "Dass der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt wurde, ist gut für Andrej H. und seine Familie. Aber das bedeutet keine Entwarnung. Noch immer wird gegen ihn mit unglaublichen Argumenten nach § 129 Strafgesetzbuch ermittelt."
Zu den Vorwürfen gehört, dass er als Soziologe Termini gebrauche, die auch in kriminellen Kreisen benutzt würden, dass er Zugang zu Bibliotheken habe und dass er einen Verdächtigen ohne sein Handy getroffen habe.
"Nach dieser verblüffenden Konstruktion kann nahezu jede und jeder einer terroristischen Vereinigung zugerechnet werden", so Petra Pau. "Was wiederum zeigt: Der ganze § 129 Strafgesetzbuch muss außer Vollzug gesetzt werden. Er ist ein Fremdkörper im Rechtsstaat, der Willkür Tür und Tor öffnet."