Auf zu neuen Ufern

Die "militante gruppe" hat etliche Brandanschläge auf öffentliche Gebäude in Deutschland verübt. Jetzt hat sich die Gruppe aufgelöst - will aber weiter für den Kommunismus kämpfen

BERLIN. Die Zeitung "radikal" kann man nicht am Kiosk kaufen, sie wird im Untergrund produziert und wandert von Hand zu Hand. Es ist eine Art Fachmagazin für Linksradikale, und in der jüngsten Ausgabe ist ein Interview abgedruckt, das auch für deutsche Sicherheitsbehörden ausgesprochen interessant sein dürfte.

Dreißig Seiten lang ist das Interview. Nachdem man sich durch ellenlange Zitate von Georg Lukacs, Leo Trotzki und Rosa Luxemburg gequält hat, kommen endlich die beiden entscheidenden Sätze: "Wir lösen uns heute und hier mit diesem Beitrag als mg auf. Von nun an ist die mg in die Widerstandsgeschichte der revolutionären Linken der BRD eingegangen."

Die mg, das ist oder besser war die "militante gruppe", linksradikales Lieblingsfahndungsobjekt von Verfassungsschutz und Bundesanwaltschaft. 2001 gegründet, werden der Gruppe gut zwei Dutzend Brandanschläge zugeschrieben, die sich nie gegen Personen, sondern gegen öffentliche Gebäude und Bundeswehrfahrzeuge richteten.

Aber das ist nun Vergangenheit. Die "militante gruppe", die für die Errichtung des Kommunismus in Deutschland kämpfte, gibt es nicht mehr. Zu neuen Ufern sei man aufgebrochen, heißt es in dem Interview. Die Ufer selbst aber bleiben vorerst im Nebel, der sich "im Laufe der Zeit mehr und mehr lichten wird", versprechen die Aktivisten. Nur so viel wollen sie verraten: "Das Projekt wird in eine erweiterte strukturelle Form überführt."

Ein Hobby von Radikalen?

Die Geheimnistuerei und die kryptische Sprache sind typisch für die Gruppe, die in den Jahren ihrer Existenz ein gesichtsloses Phantom geblieben ist. In der linken Szene gibt es nicht wenige, die hinter der mg nur das Hobby von ein, zwei Radikalen vermuten oder gar ein Werk des Verfassungsschutzes wittern. In den letzten zwei Jahren war die mg abgetaucht, Anschläge blieben aus.

Umso aktiver wurden die Sicherheitsbehörden. 2007, im Vorfeld des G8-Gipfels in Heiligendamm, erklärte die Bundesanwaltschaft die "militante gruppe" als terroristische Organisation zu einer Art Staatsfeind Nr. 1. Mit Großrazzien und Festnahmen gingen die Behörden massiv wie seit RAF-Zeiten nicht mehr gegen die linke deutsche Szene vor. Prominentestes Opfer war ein Berliner Soziologe, dem eine mg-Mitgliedschaft mit teilweise abenteuerlich konstruierten Indizien unterstellt wurde. Erst nachträglich wurde das Vorgehen der Ermittler für rechtswidrig erklärt. Der Bundesgerichtshof stufte die mg schließlich zu einer kriminellen Vereinigung herab. Handfeste Beweise für die Existenz der Gruppe haben die Behörden bis heute nicht.

Bislang ist es daher auch nur zu einem Prozess in Sachen mg gekommen. In Berlin müssen sich drei junge Männer verantworten, die versucht haben sollen, Bundeswehrfahrzeuge in Brandenburg anzuzünden. Die Aussichten der Bundesanwaltschaft, ihnen die Mitgliedschaft in der militanten Gruppe nachzuweisen, sind gering.

Gekränkte Aktivisten

Für das Versagen der Ermittler haben die Aktivisten in ihrem Interview nur Hohn und Spott übrig. Mit dem dilettantischen Anschlagversuch, der gerade in Berlin verhandelt wird, habe die Gruppe nichts zu tun. "Was uns beinahe kränkt, dass man uns für so dusselig hält, alle Normen einer klandestinen Aktion zu verletzen, um in eine vorbereitete Bullenfalle zu tappen", so die mg-Aktivisten in ihrem Interview. Die "Schwadroneure der Harms-Griesbaum-Bande und des Ziercke-Stadls müssen sich noch mehr anstrengen, uns zu lokalisieren", heißt es weiter. Gemeint sind hiermit die Generalbundesanwältin Monika Harms und ihr für Terrorverfahren zuständiger Bundesanwalt Rainer Griesbaum sowie der Chef des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke.

Immerhin gibt die Ex-mg den Ermittlern recht bereitwillig ein wenig Nachhilfe. So übernimmt die Gruppe in dem Interview die Täterschaft für drei Brandanschläge Anfang dieses Jahres. Im Januar hat man demnach zwei Brandsätze im Brandenburger Sozialgericht und im Jobcenter der Arbeitsagentur Charlottenburg in der Berliner Königin-Elisabeth-Straße gezündet, im Februar im sachsen-anhaltinischen Burg drei Bundeswehrfahrzeuge angesteckt. Bislang hatte es zu diesen Anschlägen noch keine Bekennerschreiben gegeben.

Bei aller Häme für die Behörden finden die ehemaligen mg-Aktivisten aber auch Zeit für Selbstkritik. Die Gruppe sei aus dem quasi autistischen Dahinwurschteln nie herausgekommen, schreiben sie. Außerdem habe man "auf das eine oder andere krass fehlbesetzte Pferd gesetzt". Gemeint sind damit die vermuteten Zuträger des Verfassungsschutzes im Umfeld der Gruppe. Hier gebe es, so schreiben die mg-Aktivisten unverhohlen drohend, noch "ausstehende Quittungen, die beglichen werden wollen".

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