Kleine Lauschangriffe. Von Andrej Holm, Soziologe

Ich telefoniere immer mit dem BKA, wenn ich telefoniere. Nicht, dass mich die Beamten persönlich anrufen oder überhaupt mir mir sprechen wollten. Seit September 2006 wird wegen der angeblichen Mitgliedschaft in einer erst terroristischen, dann kriminellen Vereinigung gegen mich ermittelt: Meine Telefongespräche werden abgehört, meine E-Mails gelesen und selbst Kneipenabende im Rahmen sogenannter. "Kleiner Lauschangriffe" aufgenommen. Ein paar auffällige Begriffe in wissenschaftlichen Texten, Hochschulbildung, Zugang zu Bibliotheken und eine nie versteckte linke Gesinnung reichten, um ein Verfahren gegen mich einzuleiten und eine Überwachung anzuordnen.

Mit Terrorismus ist nicht zu spaßen. Allerdings zeigen die inzwischen zugänglichen Akten über mich, dass die Hemmschwelle sehr gering ist, wenn es darum geht, das Post- und Briefgeheimnis zu lüften. Jedes Jahr werden Dutzende solcher Verfahren eingeleitet - und fast alle nach Jahren ergebnisloser Überwachung stillschweigend eingestellt. Der Bundesgerichtshof hat nach meiner Entlassung aus der Untersuchungshaft den "dringenden Tatverdacht" verneint. Dass auch die Überwachungsprotokolle irgendwann gelöscht werden, glaubt nicht mal meine sonst sehr optimistische Anwältin. In über 80 prall gefüllten Leitz-Ordnern lese ich, was über mich, meine Familie, meine Freunde zusammengetragen wurde. Vielleicht haben sie jetzt aufgehört, mich zu überwachen. Vielleicht nicht. Wir leben mit der Gewissheit, dass wir uns keine Mühe geben müssen, etwas für uns zu behalten, dass immer jemand mithören kann. Da hilft auch die beste Verfassung nicht viel.

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