Dürftige Beweislage. Anklage gegen vermeintliche Mitglieder der »militanten gruppe« wackelt

Im Prozess gegen vermeintliche Angehörige der »militanten gruppe« (mg) wurde am Mittwoch der Vizepräsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans Elmar Remberg, als Zeuge gehört. Nach seiner Vernehmung hat ein zentrales Beweismittel der Anklage seine Bedeutung verloren.

Das seit September 2008 andauernde Gerichtsverfahren findet vor dem Staatsschutzsenat des höchsten Berliner Strafgerichts statt. Diesen Stellenwert gewann der Prozess durch den Anklagepunkt »Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung« nach Paragraf 129 StGB. Die drei Angeklagten sollen Angehörige der »militanten gruppe« sein, die seit 2001 Farbbeutel- und Brandanschläge auf Sozialämter und Pilotprojekte der Jobcenter oder auf Fahrzeuge der Bundespolizei verüben.

Verhaftet wurden die drei Männer im Alter zwischen 36 und 47 Jahren nach einer Observation, bei der sie in Brandenburg an der Havel Brandsätze unter Bundeswehr-LKW gelegt haben. Ginge es allein um diese Tat, müsste ein Brandenburger Amtsrichter über die versuchte Sachbeschädigung urteilen. Aber die Bundesanwaltschaft klagt die drei Berliner, die in linken Gruppen organisiert waren und zu den Vorwürfen schweigen, zusätzlich nach Paragraf 129 an.

Die Beweislage für dieses Vereinigungsdelikt ist dürftig. Bei einem Angeklagten soll ein »Handbuch für Militante« gefunden worden sein, bei einem anderen mehrere Ausgaben der Szene-Zeitschrift »radikal», in der ein Interview mit der »militanten gruppe« veröffentlicht wurde. Die Anklageschrift der Bundesanwaltschaft stützt sich außerdem auf die Aussagen eines V-Manns des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV). Dieser Mitarbeiter habe nach den Verhaftungen über die Mitgliedschaft der drei Angeklagten in der »militanten gruppe« berichtet. Dies steht in einem von BfV-Vizepräsident Remberg unterzeichneten Behördenzeugnis.

Deswegen wurde Remberg am 26. Prozesstag vorgeladen. Er bezog sich bei zahlreichen Fragen des Vorsitzenden Richters und der Rechtsanwälte auf seine eingeschränkte Aussagegenehmigung. So konnte er nicht darlegen, warum der V-Mann von seiner Behörde als »im Allgemeinen zuverlässig berichtend« eingestuft wird. Remberg gestand außerdem ein, dass die Einschätzung und Bewertung der Informationen des V-Mannes für das Gericht nicht überprüfbar sei. Eine solche Untersuchung muss jedoch möglich sein, wenn das Gericht den belastenden Aussagen glauben schenken soll. »Aus Sicht der Verteidigung ist hiermit offensichtlich, dass der Beweiswert des Behördenzeugnisses bezüglich dieses V-Mannes gleich Null ist«, erklärte dazu Rechtsanwalt Alexander Hoffmann.

Der Paragraf 129 ist ein Knackpunkt dieses Verfahrens. Juristen, wie beispielsweise der Präsident der Internationalen Liga für Menschenrechte, Rolf Gössner, kritisieren die Anwendung des Paragrafen als »uferloses Präventionsstrafrecht« und als »Fremdkörper im bundesdeutschen Strafrechtssystem«, weil auch Mitglieder einer Gruppe ohne Beteiligung an einer Straftat verurteilt werden können. Aber eine Verurteilung ist nur möglich, wenn die Mitgliedschaft in der Vereinigung nachgewiesen werden kann. Danach sieht es zum jetzigem Stand in dem Verfahren gegen die drei Berliner nicht aus. Der Prozess wird noch mindestens bis Mai andauern.

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