Die Falschen auf der Anklagebank
Staatschutzzeugen mauern, das Gericht sieht zu
Seit dem 25. September 2008 wird in Berlin Axel H., Florian L. und Oliver R. der Prozess gemacht. Laut Anklage sollen die drei Berliner, die im Zusammenhang mit einem versuchten Brandschlag auf drei Bundeswehrfahrzeuge in Brandenburg festgenommen wurden, Mitglieder der militanten gruppe (mg) sein. Der Prozess ist durch das vom Gericht gedeckte Mauern der Staatsschutzbehörden geprägt. Sie sind sichtlich bemüht, nur Teileinblicke in ihre Ermittlungen zu gewähren.
"Hier sitzen die falschen Leute auf der Anklagebank und sollen als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung nach Paragraf 129 verurteilt werden. Auf die Anklagebank gehören Kriegstreiber, Kriegsbefürworter und Rüstungskonzerne. Sie sind die kriminellen Vereinigungen. Sie sind anzuklagen." Das erklärten die drei Antimilitaristen am ersten Verhandlungstag vor dem Berliner Kammergericht. Gleichzeitig betonten sie, dass Widerstand gegen jegliche kriegerischen Verhältnisse legitim sei: "Sabotage ist ein Teil (des) Rechtes auf Widerstand und soll im besten Fall Schlimmeres, nämlich Kriegseinsätze, verhindern helfen."
Ob Schlimmeres - um in diesem Bild zu bleiben -, d.h. die Verurteilung der drei als Mitglieder der mg und damit die erstmalige Festschreibung der mg als "kriminelle Vereinigung", verhindert werden kann, ist offen. Durch Sicherheitsverfügungen, die die penible Kontrolle der ProzessbesucherInnen ebenso vorsehen wie das Kopieren ihrer Personaldokumente, bewaffnete PolizistInnen im Gerichtssaal und "ProzessbeobachterInnen" des Bundeskriminalamtes (BKA) wird eine offensichtlich erwünschte Atmosphäre der Gefährlichkeit erzeugt, um das Verfahren in das notwendige "Terrorismus"-Raster zu pressen. Die Einschüchterung hat System. Offen gab die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE zu, die BKA-Prozessbeobachtung diene dazu, "neue im Rahmen der geführten Ermittlungen bisher nicht bekannt gewordene Hinweise unmittelbar aufzunehmen und polizeilich zu bewerten". (BT-Drs. 16/10982)
System hat auch das Mauern der Staatsschutzbehörden. Die PolizeizeugInnen - ob nun vom BKA oder dem Berliner Landeskriminalamt (LKA) - verweigern unisono mit Verweis auf ihre eingeschränkte Aussagegenehmigung die Antwort, sobald auch nur am Rande Vorgänge der Ermittlungen tangiert sind, die ihrer Ansicht nach nicht Gegenstand des Verfahrens sind. Und das ist fast alles, was Licht ins Dunkel über das Vorgehen des BKA im Allgemeinen und der Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) im Besonderen bringen könnte.
Für die Einbindung der Antimilitaristen in die mg gibt es nur Indizien: Etwa zwölf Seiten aus einem "Handbuch für Militante", das bei einem der Angeklagten sichergestellt wurde. Gemessen am Ermittlungsaufwand ist die Beweislage dürftig. Dabei gingen die Ermittlungen in Sachen mg von höchster Stelle aus und wurden in der Koordinierungsgruppe Terrorismusbekämpfung (KGT) abgestimmt. Das räumte jüngst offiziell die Bundesregierung ein: "Vertreter von BKA, BfV und GBA (Generalbundesanwaltschaft, ak) haben sich am 7. November 2003 auf Initiative des BKA getroffen und eine Gefährdungseinschätzung zur ,militanten gruppe` erarbeitet, die sich die KGT am 28. November 2003 ... zu Eigen gemacht hat."(BT-Drs. 16/11545) Inwieweit die Rolle des VS in dem nun bis Februar terminierten Prozess aufgeklärt werden kann (vgl. "Nur für den Dienstgebrauch? Die Rolle des VS bei den Ermittlungen in Sachen militante gruppe", Ende einer Dienstfahrt Nr. 2), bleibt abzuwarten.