Eingeschränkte Rechte
Im »mg«-Verfahren klagen Verteidiger über die Behinderung ihrer Arbeit. Berliner Innensenat: Vollständige Aussagegenehmigung für Polizeibeamte gefährdet die Sicherheit.
Die vergangenen vier Monate hat Jochen Weingarten meistens geschwiegen. Normalerweise beschränkte sich der Vertreter der Bundesanwaltschaft (BAW) im Prozeß gegen drei Kriegsgegner darauf, die Fragen der Verteidiger an die geladenen Polizeizeugen zu beanstanden. Doch am Donnerstag, dem mittlerweile 19. Verhandlungstag, verlor Weingarten gleich mehrmals die Contenance. »Ich hoffe für Sie, daß Ihre Anwälte noch mehr vorbringen können«, sagte er sichtlich erbost zu den Angeklagten. Bereits einige Stunden zuvor hatte der Bundesstaatsanwalt den Strafverteidigern empfohlen, besser »den Mund zu halten«.
Weingartens Nervosität ist durchaus verständlich. Seit dem 25. September 2008 bemüht sich die BAW den Berlinern Axel H., Florian L. und Oliver R. im Saal 700 des Kriminalgerichts Berlin-Moabit einen versuchten Brandanschlag sowie die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung nachzuweisen. Als mutmaßliche Mitglieder der »militanten gruppe« (mg), die sich seit 2001 zu insgesamt 25 Anschlägen bekannt hat, sollen sie am 31. Juli 2007 mehrere Brandsätze unter Fahrzeugen der Bundeswehr plaziert haben.
Doch bisher ist die Beweislage eher dürftig. Zwar gibt es eine ganze Reihe von Indizien gegen die Angeklagten, doch trotz monatelanger Überwachung konnte den Beschuldigten der Anschlagsversuch nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden. Das liegt einerseits am Dilettantismus der Beamten. »Ich kann nicht ausschließen, daß die Insassen des Fahrzeugs, in dem wir die Angeklagten vermuteten, gewechselt haben«, sagte Ermittlungsführerin Ulrike Alles vom Bundeskriminalamt (BKA) an einem der früheren Verhandlungstage. Gleichzeitig wird die Aufklärung dadurch erschwert, daß sich die Polizisten als Zeugen häufig auf ihre beschränkten Aussagegenehmigungen berufen. »Wir werden in unserem Recht auf eine umfassende Befragung behindert«, kritisierte Rechtsanwalt Sven Lindemann am Donnerstag.
Die Berliner Senatsverwaltung für Inneres beruft sich dagegen auf eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit. »Die letzten Jahre haben gezeigt, daß gerade die linksextremistische Szene immer wieder bestrebt ist, Strafverfahren gegen Gewalttäter in diesem Bereich dafür zu nutzen, Dienstinterna der Polizei in Erfahrung zu bringen und für eigene Zwecke zu nutzen«, heißt es in einem Schreiben der Senatsverwaltung, das junge Welt vorliegt. Es bestehe die Gefahr, daß künftige Observationen erschwert würden. In dem Papier wird außerdem auf eine Internetseite verwiesen, auf der »umfangreiche Prozeßberichte eingestellt sind, in denen der Auftritt der Polizeizeugen kritisch bewertet wird«. Dabei handelt es sich um die Seite des Solidaritätsbündnisses, auf der auch Presseartikel der jungen Welt sowie anderer Zeitungen zu finden sind. Zudem würden die Angeklagten bereits jetzt »deutschlandweit und international als ›Märtyrer für die Sache‹ dargestellt«, so der Innensenat.
Dazu passend präsentierte die BAW am Donnerstag mehrere Computerausdrucke, aus denen hervorgehen soll, daß einer der Beschuldigten per Videoschaltung an einer Konferenz zur Politik der »mg« teilgenommen habe. Tatsächlich hatte einer der Angeklagten in der Vergangenheit betont, daß er sich als Teil der revolutionären Linken verstehe und sich von der »mg« weder distanzieren noch zu ihr bekennen werde. In einer Erklärung zu Beginn des Prozesses hieß es, daß der Widerstand gegen die Gewalt des Krieges gerechtfertigt sei. »Im angelsächsischen Raum gab es in den letzten Jahren drei Sabotage-Aktionen, bei denen die Angeklagten freigesprochen wurden«, schreiben die angeklagten Kriegsgegner an gleicher Stelle. Der Prozeß in Berlin wird am 28. Januar fortgesetzt.