Ein Phantom namens »Militante Gruppe«

Ermittlungsbehörden und Medien tappen im dunkeln. Außer Bekennerschreiben zu diversen Anschlägen und Beiträgen zu einer »Militanzdebatte« ist über die »mg« nichts bekannt. Von Ole Schneider

Wer ist die »Militante Gruppe«, wie viele Mitglieder gehören ihr an, wie viele Unterstützer oder Sympathisanten? Ist sie zentral gesteuert oder ein loser Zusammenhang? Nichts davon ist bekannt. Dabei finden sich seit Jahren mit »mg« gezeichnete Kommuniques in Szenezeitschriften, regelmäßig wird die Gruppe in der Rubrik »Linksextremismus« im Verfassungsschutzbericht gelistet. Aber das war's dann auch. »Diese Gruppe geistert teilweise als Phantom durch unsere Ermittlungsarbeit«, ließ ein BKA-Beamter nach den ersten Verhaftungen Ende Juli gegenüber der Presse verlautbaren. Und auch durch die Medien scheint die »Militante Gruppe« (mg) als Phantom zu gehen, mal »zündelnd« (Spiegel Online), mal »greifbar« (Zeit Online). Und doch scheint niemand so recht zu wissen, um wen es sich eigentlich handelt, nicht einmal das Bundeskriminalamt (BKA) selbst.

Bereits seit sechs Jahren ermittelt das BKA nun gegen die klandestin arbeitende Gruppe, die seit 2001 für gut zwei Dutzend Brandanschläge verantwortlich gezeichnet hat. Zum ersten Mal trat sie aber mit einer anderen Aktion in Erscheinung. Im Juni 2001 erhielten Otto Graf Lambsdorff (FDP), damaliger Regierungsbeauftragter für die Entschädigung der Zwangsarbeiter, und zwei Repräsentanten der »Stiftungsinitiative der Deutschen Wirtschaft« Drohbriefe. Sie waren mit dem Titel »Auch Kugeln markieren einen Schlußstrich« überschrieben und enthielten jeweils eine Patrone scharfer Munition. Ein vergleichbares Schreiben wurde ein halbes Jahr später dem Sozialstadtrat des Berliner Stadtteils Reinickendorf, Frank Balzer (CDU), zugestellt. In dem Bekennerschreiben begründete die »mg« einen Brandanschlag auf das Bezirksamt mit dem »Sozialamtsterror«, dem Bedürftige bei Amtsgängen ausgesetzt seien. Balzer sei dessen »Personifizierung«.

In den folgenden Jahren verlagerten sich die Aktionen der »mg« dann zunehmend hin zu Brandanschlägen auf Fahrzeuge und Gebäude staatlicher Einrichtungen sowie von Wirtschaftsvertretern. Die Ziele waren immer mit konkreten Themenkomplexen verbunden. In Bekennerschreiben wurden die Anschläge meist mit der Gegnerschaft zur rassistischen Politik der BRD, zur Militarisierung und Kriegsbeteiligung und dem Sozialabbau begründet. So wurden im Februar 2003 Fahrzeuge der Bundeswehr abgebrannt oder im Dezember 2006 das Haus eines Arztes angegriffen, der mit dem Fall des in einer Polizeizelle in Dessau verbrannten Flüchtlings Ouri Jalloh zu tun hatte. Zahlreiche Anschläge trafen Fahrzeuge der Polizei und des Ordnungsamtes in Berlin und Umgebung. Personen wurden in keinem Fall verletzt.

Inhaltlich hat die »mg« versucht, in die Debatten der sogenannten radikalen Linken einzugreifen. Vor allem in der »Militanzdebatte« in der Berliner Szenezeitschrift Interim meldeten sich die Klandestinen mit Diskussionsbeiträgen zu Wort und regten eine Auseinandersetzung mit militanten Aktionsformen an. Damit wollte die mg »eine Diskussion um die Mittel des bewaffneten Kampfes« führen und »die real verantwortlichen Personenkreise der kapitalistischen und imperialistischen Ausbeutungs- und Unterdrückungsstrukturen ins Visier« ihrer Politik nehmen, was teilweise zu kritischen Reaktionen führte.

Bis dato ist den Sicherheitsbehörden kein Fahndungserfolg gegen die »Militante Gruppe« gelungen, auch wenn zwischenzeitlich anderes verlautbart wurde. Im November 2003 lancierte der Focus die Meldung, daß das BKA vier Männer enttarnt habe, die zum »konspirativen Kern« der »mg« gehörten. Genauso schnell wie die Story die Runde durch die Boulevardblätter machte, stellte sie sich aber als haltlos heraus. Nur zwei Tage später zitierte das Münchner Magazin einen »Kenner des Falls«, der zugeben mußte, daß »noch ein paar hieb- und stichfeste Beweise« fehlten. Daran hat sich anscheinend auch Jahre später nichts geändert. Am 9. Mai 2007, nach über vier Jahren Ermittlungen nach Paragraph 129a, wurden in einer großangelegten Razzia in mehreren Städten Wohnungen durchsucht. Verhaftet wurde niemand.

Die ersten Festnahmen, die mit der Mitgliedschaft in der »militanten gruppe« begründet wurden, erfolgten am 31. Juli 2007. Allem Anschein nach tappen die Ermittlungsbehörden weiterhin im dunkeln. Darauf deuten die abenteuerlichen Begründungen hin, die bei den Verhaftungen angeführt wurden, um aus kritischer Wissenschaft und versuchter Brandstiftung an Militärfahrzeugen eine »terroristische Vereinigung« zu konstruieren.