Forscher fordern Freiheit für Berliner Soziologen
Aus der wissenschaftlichen Arbeit des Soziologen eine Urheberschaft von terroristischen Anschlägen zu konstruieren „stellt eine fundamentale Bedrohung der Freiheit von Forschung und Lehre dar“, heißt es in dem Schreiben an Generalbundesanwältin Monika Harms. Die Konstruktion der Vorwürfe sei „gespenstisch“, sagte am Dienstag Hartmut Häußermann, Stadtsoziologe der Humboldt-Universität und Doktorvater von Andrej H.
Die Bundesanwaltschaft wirft dem 36-jährigen Wissenschaftler die „intellektuelle Urheberschaft“ für Anschläge der „militanten Gruppe“ vor. Außerdem habe sich H. während der Ermittlungen zwei Mal mit einem weiteren Beschuldigten getroffen, der am 31. Juli dieses Jahres in Brandenburg Brandsätze unter mehreren Bundeswehrlastwagen deponiert haben soll. Eine konkrete Straftat werfen die Behörden H. bislang nicht vor.
Gegen die weitere Inhaftierung wenden sich die 200 Wissenschaftler aus der ganzen Welt ebenso wie 2000 weitere Unterzeichner des offenen Briefes und die Anwältin des Soziologen. „Ich bin erschrocken darüber, wie wenig Informationen ausreichen, um den ganzen Ermittlungsapparat in Gang zu setzen“, sagte die Anwältin von Andrej H., Christina Clemm. Das Ermittlungsverfahren gegen H. und sechs weitere Verdächtige läuft seit September 2006. Seitdem wurde er observiert und sein Telefon überwacht. Durch eine Recherche im Internet seien die Ermittlungsbehörden offenbar auf Andrej H. aufmerksam geworden. Bestimmte Begriffe und Redewendungen seiner Veröffentlichungen deckten sich mit Formulierungen der „militanten Gruppe“. Doch ein Gutachten des Verfassungsschutzes habe ergeben, dass es sich bei den Begriffen um allgemeine Formulierungen handele, die nicht auf einen Zusammenhang hinwiesen, sagte Rechtsanwältin Clemm. Sie hofft daher, dass Andrej H. am Freitag nach einem Haftprüfungstermin aus dem Gefängnis entlassen wird.
Unterstützung erhält H. auch von der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS). Mit der Begründung des Haftbefehls werde nicht nur sozialwissenschaftliche Forschung kriminalisiert, sie stelle auch eine Beleidigung aller Wissenschaftler dar, heißt es in einer Stellungnahme der DGS-Abteilung für Stadtsoziologie.