"Kopieren sie die Akten doch selbst"
Prozessauftakt gegen »mg« in Berlin / Anwälte beantragen Aussetzung
Von Jörg Meyer
Vor dem Berliner Kammergericht begann gestern der Prozess gegen drei Männer, denen nach Paragraf 129 StGB vorgeworfen wird, Mitglieder der kriminellen Vereinigung »militante gruppe« (mg) zu sein. Außerdem sollen sie versucht haben, drei Bundeswehr-Lkw anzuzünden. Ihnen drohen Haftstrafen von bis zu fünf Jahren.
»Hier sitzen die falschen Leute auf der Anklagebank«, heißt es in der Erklärung, die der 47-jährige Sozialpädagoge Axel H. im Namen der Angeklagten verlas. Auf die Anklagebank gehörten die Rüstungsproduzenten und Kriegstreiber. Sie seien die kriminellen Vereinigungen. Die mg bekannte sich seit 2001 laut Anklage zu 25 Brandanschlägen auf Polizei- und Bundeswehreinrichtungen, Behörden und Firmen.
Um die Sache selber ging es am Donnerstag jedoch wenig. Bis der Vorsitzende Richter auch nur die Personalien der drei Angeklagten feststellen konnte, verging einige Zeit. Der Prozess begann mit einem Antrag der Verteidigung, die rigide Sicherheitsverfügung für den Prozess aufzuheben. Danach werden Prozessbesucher durchsucht, gefilmt und zusätzlich ihre Ausweise kopiert. Damit sei eine »derart hohe psychologische Hemmschwelle« aufgebaut, dass er den Öffentlichkeitsgrundsatz verletzt sehe, so Rechtsanwalt Thomas Herzog. Er kritisierte auch die Präsenz von mindestens sechs bewaffneten Beamten in Zivil im Gerichtssaal. Der Vorsitzende lehnte den Antrag ab, sagte aber zu, die Sicherheitsverfügung zu überdenken.
Danach beantragte Sven Lindemann, Anwalt von Florian L., die Einstellung wegen Verfahrensbehinderung. Wesentliche Teile der Ermittlungsakten seien weder dem Gericht noch der Verteidigung bekannt. Die stammten zwar aus anderen Ermittlungen gegen die mg – vier Ermittlungsverfahren wurden seit 2001 geführt –, da es aber um ein »Organisationsdelikt« gehe, müssten die Akten aus allen Verfahren verfügbar sein. »Wir bemühen uns, dafür zu sorgen, dass hier ein fairer Prozess geführt werden kann«, sagte Lindemann später gegenüber ND. Rechtsanwalt Alexander Hoffmann kritisierte, dass die Akten teilweise unleserlich seien, weil sie schlecht kopiert oder digitalisiert wurden. Er beantragte die Aussetzung des Verfahrens, bis alle Akten vorlägen. An der Stelle wurde es dem Vertreter der Anklage, Bundesanwalt Herbert Diemer, zu bunt. Es seien ausreichend Akten zur Verfügung gestellt worden, zudem sei es ein »Service« der Bundesanwaltschaft, die Blätter zu kopieren. »In Zukunft können sie ihre Akten selber kopieren«, sagte er sichtlich beleidigt zu Hoffmann.
Unterstützer und Freunde hatten zum Prozessauftakt zu einer Kundegebung vor dem Gericht aufgerufen. Sie forderten die Einstellung der Verfahren gegen die Antimilitaristen und die Abschaffung des »Gesinnungsparagrafen« 129. Rund drei Dutzend Menschen und ein Lautsprecherwagen kamen. So konnte man den ganzen Tag über Redebeiträge und Musik im Gerichtssaal hören – von Ernst Busch bis Punk. Das Gericht stellte seine Entscheidung über die Anträge vorerst zurück und legte den nächsten Verhandlungstermin auf den 1. Oktober fest. Der Prozess ist bis zum 7. Januar 2009 angesetzt.