Mysteriöse Gruppe

In Berlin beginnt der Prozess gegen drei Männer, denen die Mitgliedschaft in einer linksextremistischen Organisation vorgeworfen wird. Doch ob es diese überhaupt gibt, ist umstritten

von Andreas Förster

BERLIN. Sie waren drei Männer, sie hatten Zünder unter drei Bundeswehr-Lastwagen platziert. Die Wagen sollten brennen. Es war die Nacht zum 31. Juli 2007 in Brandenburg an der Havel. Sie waren die ganze Zeit observiert worden, sie wurden verhaftet, bevor irgendetwas passiert war. Die Zünder wurden entschärft, keiner der drei Wagen beschädigt.

Vor dem Berliner Kammergericht beginnt heute ein Prozess gegen die drei erfolglosen Brandstifter. Brisanz erhält das Verfahren dadurch, dass den Angeklagten nicht nur versuchte Brandstiftung zur Last gelegt wird, sondern auch die Mitgliedschaft in der "militanten gruppe", mg abgekürzt. Ob es diese angeblich linksextremistische Organisation überhaupt gibt, ist allerdings umstritten.

Die Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass es sie gibt und dass sie seit 2001 bundesweit Dutzende Brandanschläge begangen hat, vor allem gegen öffentliche Gebäude, aber auch gegen Fahrzeuge. Finanz- und Arbeitsämter sind unter den Anschlagzielen, Justiz- und Polizeieinrichtungen, Büros eines Industriellenverbandes und einer ausländischen Handelskammer.

Die Bundesanwaltschaft hat die mg jahrelang als terroristische Vereinigung eingestuft und mit großem finanziellen und personellen Aufwand gegen insgesamt elf mutmaßliche Mitglieder ermittelt. Unter anderem werteten die Ermittler auch Akten der Staatssicherheit aus, um Erkenntnis über die Vergangenheit einzelner, aus der DDR stammender Verdächtiger zu gewinnen.

Soziologe in Einzelhaft
Aufsehen erregte im Sommer vergangenen Jahres die Festnahme des 37-jährigen Berliner Soziologen Andrej H., einem weltweit unter Kollegen hochgeachteten Fachmann für Stadtumbau und Stadtteilpolitik. Andrej H. hatte sich aus Sicht der Bundesanwaltschaft verdächtig gemacht, weil er Kontakt zu einem der jetzt vor Gericht stehenden verhinderten Brandstifter hatte. Außerdem waren einzelne Wörter und Formulierungen aus seinen Fachartikeln in Bekennerschreiben aufgetaucht - Wörter und Formulierungen, deren Gebrauch unter Soziologen üblich ist. Die Ermittler gelangten dennoch zu der Vermutung, nur H. könne die Bekennerschreiben verfasst haben. Der Soziologe kam in eine Einzelzelle im Gefängnis in Berlin-Moabit. Nur eine Stunde am Tag durfte er mit zwei anderen Häftlingen auf den Hof. Erst nach drei Wochen bekam er Haftverschonung, im Oktober 2007 hob der Bundesgerichtshof den Haftbefehl gegen ihn auf.

Ende November wurden auch die drei Männer, die in Brandenburg die Bundeswehr-Wagen anzünden wollten, aus der Untersuchungshaft entlassen. Zudem entschied der Bundesgerichtshof, dass es keine Anhaltspunkte für einen terroristischen Charakter der mg gebe. Am ehesten könne man noch von einer kriminellen Vereinigung ausgehen, weshalb das Ermittlungsverfahren vorerst bei der Bundesanwaltschaft blieb.

Die Karlsruher Behörde ist der Anklagevertreter in dem nun beginnenden Prozess. Das Verfahren ist vorerst bis Anfang Januar terminiert. An den ersten Verhandlungstagen wird sich das Gericht auf den Vorwurf der versuchten Brandstiftung konzentrieren. Die Beweislage hierbei ist übersichtlich. Den drei Angeklagten droht deshalb wohl eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr, die zur Bewährung ausgesetzt werden könnte, da keiner von ihnen vorbestraft ist.

Sollte das Gericht dem Vorwurf der Bundesanwaltschaft folgen, wonach die drei Angeklagten der mg angehören, werden die Richter um eine Haftstrafe ohne Bewährung nicht herumkommen. Mitglieder einer kriminellen Vereinigung sind für die Straftaten der gesamten Gruppe mitverantwortlich. Den drei Männern würden auch die anderen der mg zugerechneten Brandanschläge zugeordnet werden. Zunächst muss die Bundesanwaltschaft aber nachweisen, dass die mg tatsächlich existiert, und wenn ja, welche Personen ihr zuzurechnen sind. Das wird schwierig - selbst innerhalb der Sicherheitsbehörden gibt es Unstimmigkeit über die Gruppe.

So gehen Polizei und Verfassungsschutz von einer unterschiedlichen Zahl der angeblichen mg-Anschläge aus. Das Bundeskriminalamt rechnet der Gruppe 25 Brandanschläge zu, der Verfassungsschutz will 35 gezählt haben. Auch geben die Verfahrensakten Hinweise darauf, dass der Verfassungsschutz wiederholt das BKA dazu drängen musste, die Ermittlungen gegen die Gruppe fortzuführen.

Therapie nach Festnahme
Am ersten Verhandlungstag ist mit umfangreichen Anträgen der Verteidiger zu rechnen, weshalb es möglicherweise nicht zur Verlesung der Anklageschrift kommen wird. Insbesondere werden die Anwälte in einem Antrag rügen, dass die Bundesanwaltschaft ihnen und dem Gericht wichtige Verfahrensakten bislang vorenthalten hat, etwa zu den Ermittlungen gegen weitere mg-Mitglieder. Diese seien aber wichtig, um die von der Anklage behauptete Existenz der Gruppe nachvollziehen zu können, argumentieren die Anwälte.

Daneben wird es in einem weiteren Antrag um die Verhandlungsfähigkeit eines der drei Angeklagten gehen. Der junge Mann ist seit seiner Festnahme, bei der er geschlagen worden sein soll, und der anschließenden Untersuchungshaft in therapeutischer Behandlung.

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