»Er soll sich sehr konspirativ verhalten haben«
Absurdes 129-a-Verfahren gegen Antifaschisten aus Bad Oldesloe eingestellt. Ein Gespräch mit Alexander Hoffmann
Interview: Ralf Wurzbacher
Der Kieler Rechtsanwalt Alexander Hoffmann vertritt einen wegen Terrorismusverdachts ins Visier der Fahnder geratenen Antifaschisten aus dem schleswig-holsteinischen Bad Oldesloe
Die Flensburger Staatsanwaltschaft hat das Verfahren gegen Ihren Mandanten wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung eingestellt. Was war dem jungen Mann zur Last gelegt worden?
Zwischen 2002 bis 2006 ereigneten sich in der Umgebung von Bad Oldesloe drei Brandanschläge, wovon wenigstens der dritte auf sechs Fahrzeuge einer Firma für Schweißtechnik im März 2006 unter Beteilung meines Mandanten verübt worden sein soll. In der Tatnacht wurden vier Telefonate ausgehend von Anschlüssen meines Mandanten mit einer anderen Person im zeitlichen Umfeld während und nach dem Anschlag geführt. Darin bestand der hauptsächliche Tatverdacht gegen meinen Mandanten.
Der sagt, er habe in der Nacht mit seiner Freundin telefoniert, die dann prompt zur zweiten von insgesamt elf Beschuldigten wurde. Kennt man den Inhalt der Gespräche?
Nein, es konnten lediglich die Verbindungen registriert werden. Nachher wurde mein Mandant zudem beschuldigt, sich im Rahmen seiner antifaschistischen Arbeit sehr konspirativ zu verhalten. Das galt für alle Beschuldigten, wobei sich die Konspiration darin ausgedrückt haben
soll, daß sie nicht über Anschlagspläne und den G-8-Gipfel redeten. Sie machten sich quasi dadurch verdächtig, daß sie sich nicht verdächtig verhielten. Das ist einigermaßen grotesk.
Den Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung nach Paragraph 129a (StGB) reduzierte die Bundesanwaltschaft Anfang dieses Jahres auf den Vorwurf der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung (§ 129). Welchen Ermittlungsmaßnahmen war Ihr Mandant bis dahin ausgesetzt?
Er war lange Zeit Ziel einer Komplettüberwachung. Sein Wohnraum wurde überwacht, seine Telefonate aufgezeichnet, er wurde beschattet, vor seiner Wohnung waren Kameras installiert, sein Auto war mit einem Peilsender versehen. Aber all das hat keinerlei Indizien für das Verüben oder die Planung strafbarer Handlungen ergeben. Tatsächlich hatten die Ermittler bis zuletzt überhaupt nichts Verwertbares in der Hand.
Der ganze Aufwand war demnach umsonst?
Ich nehme an, daß es bei all dem auch um die Kriminalisierung von aktiven politischen Zusammenhängen im Bereich der Antifa gegangen ist. Die Bundesanwaltschaft selbst hat sich so geäußert, daß man mal auf den Busch klopfen wollte, um zu sehen, was sich darin so alles verbirgt. Ein Argument war sogar, daß die Antifa-Aktivitäten nur zur Tarnung der terroristischen Vereinigung dienen würden.
Widersprechen Sie dem Eindruck, daß im Vorfeld des G-8-Gipfels Verdachtsmomente gegen linke Aktivisten regelrecht konstruiert wurden, um sie ins Visier nehmen zu können?
Die aktuelle Fahndungswut gegen links hat in meinen Augen drei Ursachen. Es besteht zunächst ein gewaltiges Interesse, herauszufinden, was die Antifa so treibt. Zweitens wird seit nunmehr drei Jahren mit Hochdruck, aber erfolglos nach den Verantwortlichen für mehrere militante Anschläge im norddeutschen Raum gesucht. Und drittens haben die Polizei und der Verfassungsschutz vor und während des G-8-Gipfels die Gunst der Stunde genutzt, alles an Informationen über mißliebige politische Kräfte abzuschöpfen, was in ihrer Macht stand -- auch unter Mißachtung der Gesetze.
Erwarten Sie Besserung, nachdem inzwischen sogar der Bundesgerichtshof die Razzien im Vorfeld des Gipfels als rechtswidrig erklärt hat?
Nein. Zunächst einmal sind beispielsweise die Hausdurchsuchungen nur aus formalen Gründen rechtswidrig, weil die Bundesanwaltschaft und der Ermittlungsrichter am BGH nicht zuständig waren. Das bietet aber für die Zukunft keinen Schutz vor ähnlichen Ermittlungen. Ich dagegen stelle die Eignung der gerichtlichen Kontrollen bestimmter Ermittlungsmaßnahmen grundsätzlich in Frage. Es reicht einfach nicht aus, wenn etwa ein Hausdurchsuchungsbeschluß lediglich von einem Amts- oder Bundesrichter allein getroffen wird, der sich dabei nur auf das ihm von der Staatsanwaltschaft vorgelegte Material stützen kann und zudem unter immensem politischen Druck steht.
Wie stehen die Chancen, daß Ihr Mandant für das ihm widerfahrende Unrecht entschädigt wird?
Die Erfahrung zeigt leider, daß mehr als die Einstellung des Verfahrens als Genugtuung für die zu Unrecht Verfolgten wohl nicht zu holen sein wird.