Leise zu den Akten gelegt
Terror-Verfahren von Bad Oldesloe eingestellt
Von Peer Stolle
Still und leise wurden vor ein paar Tagen die sogenannten Bad-Oldesloe-Verfahren eingestellt. Mit ihrem Terrorvorwurf hatte die Bundesanwaltschaft im Sommer 2007 deutlich mehr Lärm verursacht. Zur Erinnerung: Den elf Beschuldigten wurde vorgeworfen, eine terroristische Vereinigung mit dem Ziel gebildet zu haben, Brandanschläge im Raum Bad Oldesloe und Berlin zu begehen. Die Beweislage war dürftig. Angefangen hatte alles mit Telefonaten eines der Beschuldigten mit seiner Freundin in einer Nacht, in der in Bad Oldesloe ein Brandanschlag auf Fahrzeuge verübt wurde. Der Inhalt der Gespräche wurde nie festgestellt. Der Fakt alleine, dass jemand in seinem Wohnort nachts telefoniert, reichte aus, um gegen den Aktivisten der lokalen Antifa ein Verfahren nach Paragraf 129a Strafgesetzbuch (Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung) einzuleiten und mit weitreichenden heimlichen Ermittlungsmaßnahmen ihn und sein politisches und persönliches Umfeld auszuforschen. Der Kreis der Verdächtigen wurde regelmäßig ausgeweitet; der »Belastungsgrund« war immer derselbe: politisches Engagement und Kontakte zu Beschuldigten.
Jetzt hat die Flensburger Staatsanwaltschaft das Verfahren endgültig eingestellt. Im Juni hatte schon das Landgericht Flensburg die Durchsuchungsbeschlüsse für rechtswidrig erklärt. Argument: Weder bestand ein Tatverdacht wegen Paragraf 129a noch war überhaupt eine Zuständigkeit der Bundesanwaltschaft (BAW) gegeben, die die Ermittlungen über anderthalb Jahre geführt hat.
Immer nach demselben Muster
Die Einzelheiten stimmen mit anderen aktuellen 129a-Verfahren überein. Anhaltspunkte für einen Tatverdacht werden konstruiert, Totalausforschungen betrieben und rechtliche Grenzen überschritten. So führte in einem Verfahren gegen die »militante gruppe« erst die nachträgliche Überprüfung der Ermittlungen durch den Bundesgerichtshof (BGH) zur Aufhebung des Haftbefehls gegen Andrej H., der Außervollzugsetzung der anderen drei Haftbefehle und der Reduzierung des Vorwurfs der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung auf den Vorwurf der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung.
Die juristischen Erfolge sollten nicht darüber hinwegtäuschen: Die Verfahren weisen auf eine mangelnde grundrechtliche Sensibilität der Sicherheitsbehörden und eine unzureichende Kontrolle ihrer Tätigkeit hin. Den Richtern am BGH und am Landgericht Flensburg blieb bei der derzeitigen Rechtslage gar nichts anderes übrig, als das Vorgehen der BAW zu korrigieren. Das ändert nichts daran, dass die von den Verfahren Betroffenen tiefen Eingriffen in ihre Privatsphäre ausgesetzt waren.
Die richterliche Kontrolle reicht offenbar nicht aus. Im Regelfall werden alle Anträge der Staatsanwaltschaften bestätigt. Zugleich werden auch bewusst rechtliche Grenzen überschritten, beispielsweise indem Telefongespräche mit Verteidigern abgehört oder Briefkontrollen durch die Polizei selbst (und nicht durch Postbedienstete) durchgeführt werden.
Der Rechtsschutz vor heimlichen Ermittlungsmaßnahmen des Staates bedarf daher einer grundlegenden Verbesserung. Bürgerrechtler und andere politisch Aktive fordern die Abschaffung der Paragrafen 129, 129a und 129b StGB, da sie fast ausschließlich der Ausforschung eines politisch missliebigen Umfeldes dienen. Allerdings muss noch eine weitere Konsequenz gezogen werden. Alle noch laufenden Paragraf 129-Verfahren gehören eingestellt.