Gefahr droht von links: Verfassungsschutz warnt vor deutsch-türkischer Solidarität
Die Präsidentin des Verfassungsschutzes, Beate Bube, hält die Zusammenarbeit deutscher und türkischer linksextremistischer Gruppierungen für eine Gefahr. "Wir sehen eine Solidarisierung."
Vor der Zusammenarbeit deutscher und türkischer Linksextremisten warnt Baden-Württembergs neue Verfassungsschutzpräsidentin Beate Bube. Der gegenwärtig in Stuttgart gegen fünf mutmaßliche Mitglieder einer türkischen Terrorvereinigung laufende Prozess habe Bewegung in die Szene gebracht, sagte Bube. "Wir sehen eine Solidarisierung in der linksextremistischen ausländischen Szene mit linksextremistischen Gruppierungen aus dem deutschen Bereich."
Die Terrorvereinigung Revolutionäre Volksbefreiungspartei/-front DHKP-C hat sich nach Einschätzung der Bundesanwaltschaft zum Ziel gesetzt, den türkischen Staat zu beseitigen und durch ein marxistisch-leninistisches Regime zu ersetzen. Dafür soll sie auch Selbstmordattentäter einsetzen und Brand- und Sprengstoffanschläge mit zahlreichen Opfern verübt haben.
Die deutschen und die türkischen Linksextremisten haben sich nach Bubes Angaben den Kampf gegen den Paragraphen 129a und b des Strafgesetzbuches (terroristische Vereinigungen im Inland und Ausland) auf die Fahnen geschrieben. "Im Stuttgarter Prozess ist erstmals bundesweit der Paragraph 129b angewandt worden mit Blick auf die Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung in der Türkei und die reine Unterstützung von Attentaten in der Türkei von deutschem Boden aus", sagte Bube.
Die Demonstration eines deutsch-türkischen "Bündnisses gegen Repression" am Samstag in Stuttgart stand im direkten Zusammenhang mit dem Prozess vor dem Oberlandesgericht. Nach Polizeiangaben von gestern versammelten sich dort rund 350 Menschen. Bube ging im Vorfeld davon aus, dass an dieser Demonstration "auch Linksextremisten vor Ort" teilnehmen werden. Denn in dem linksgerichteten Spektrum werde der sogenannte Terrorprozess als politische Kampagne gegen Migrantenorganisationen verstanden.
Von der in Baden-Württemberg etwa 75 Mitglieder starken und verbotenen DHKP-C gehe jedoch seit der vom Generalsekretär Dursun Karatas im Jahr 1999 verkündeten Gewaltverzichtserklärung keine Anschlagsgefahr in Deutschland mehr aus, sagte Bube. Der Linksterrorismus habe im Gegensatz zu islamistischen Organisationen keine religiösen Ziele. Der islamistische Terrorismus bleibt nach Angaben der Präsidentin ein Schwerpunktbereich des Landesamts für Verfassungsschutz. "Der Islamismus steht obenan", sagte Bube.
Speziell der Umfang der deutschen und türkischsprachigen Seiten und Foren im Internet zeige die Bedeutung, die dem Islamismus zukomme. Die Bedrohungslage für Deutschland sei in diesem Bereich "latent hoch". "Die islamistische gewaltbereite Szene ist im bundesweiten Vergleich in Baden-Württemberg stark vertreten." Im Südwesten gebe es immer wieder einzelne Zirkel, in denen die radikal-islamische Ideologie vertreten werde.
Nach der Auflösung des vom Verfassungsschutz beobachteten Islamischen Informationszentrums (IIZ) in Ulm und des Verbots des Multikulturhauses (MKH) in Neu-Ulm habe sich aber keine vergleichbare islamistische Struktur im Land verfestigt. Es fehle eine "zentrale Stelle", die ins Fadenkreuz der Ermittler geratene As-Sunna-Moschee in Sindelfingen habe noch keine integrierende Wirkung wie das IIZ oder das MKH.
"Es Bedarf auch charismatischer Führungspersonen, die wir nicht mehr in dem Maße haben." MKH und IIZ galten bis zu ihrer Schließung 2005 und Selbstauflösung im Oktober 2007 als Treffpunkte der islamistischen Szene, die der Verfassungsschutz jahrelang observierte.
Erst kürzlich hatten Sicherheitskreise eine bundesweite Razzia gestartet, bei der auch zwei Männer aus dem Land ins Visier geraten waren. Die zwei Imame sollen über das Internet, mit Literatur und "Islamseminaren" junge Konvertiten und Muslime zum bewaffneten Krieg angestachelt haben. Bei den Männern aus Ulm und Sindelfingen (Kreis Böblingen) handelt es sich um einen 26 Jahre alten Deutschen palästinensischer Herkunft und einen 27-jährigen Konvertiten.