Kammerspiel wird zur Muppetshow
Das BKA lügt, der Verfassungsschutz muss Farbe bekennen
Die »Ende einer Dienstfahrt« erscheint anlässlich des Prozesses gegen drei Berliner Antimilitaristen. Axel, Florian und Olli sollen im Juli 2007 einen Brandanschlag in Brandenburg an der Havel verübt haben. Zudem sind sie angeklagt, Mitglieder einer »kriminellen Vereinigung«, der seit 2001 aktiven militanten gruppe (mg) zu sein. Zumindest behauptet das der Verfassungsschutz (VS), dem dies ein »nachrichtenehrlicher« Spitzel gesteckt haben will. So steht es in der Anklage. Nun muss der VS zugeben: Der Spitzel hat das nur vom »Hörensagen«. Mit anderen Worten: Die Bundesanwaltschaft (BAW) stützt ihre Anklage auf ein Gerücht, zufällig Aufgeschnapptes, Gerede.
Die Kölner Schlapphüte haben inzwischen auch bekannt: Wir wissen weder über die Struktur noch über Mitglieder der mg irgendetwas. 2001 klang das noch ganz anders. Nur zwei Monate, nachdem die mg erstmals in Erscheinung getreten war, erklärte der VS, ihm seien die Mitglieder der Gruppe bekannt. In der Folge trieb es BAW und Bundeskriminalamt (BKA) immer weiter zu Ermittlungen an. Und das BKA ermittelte.
Beispielsweise als »Die zwei aus der Muppetshow«. So nannten sich zwei Kriminalhauptkommissare des BKA. »Wir haben viele Debatten begleitet, mal aus der Ferne, mal mittendrin und mal einfach nur als interessierte Beobachter.« Das Zitat stammt aus dem Text »Über die Waffe der Kritik und die Kritik der Waffen oder Quo vadis mg?«. Erschienen ist er in der Berliner Autonomenzeitschrift »interim« im Januar 2005.
Bislang galt er als ein Beitrag zur von der mg initiierten Militanzdebatte. Seit dem 26. März 2009 ist bekannt, wer den Beitrag wirklich geschrieben hat, nämlich die beiden BKAler, seit dem 20. April auch warum: als »kriminaltechnische Maßnahme«. Mal sollten damit mg-Mitglieder auf die überwachte BKA-Hompage gelockt, mal der Gruppe Informationen zur Struktur entlockt werden. Deshalb griffen ein Jahr später erneut die beiden BKAler für eine »interim«-Veröffentlichung zur Feder. Dieses Mal firmierten sie als »Einige Linke mit Geschichte« (mit dem sinnigen Akronym »elmg«).
Bei den Ermittlungen gegen die mg wurde aus einer Maus ein Elefant gemacht (erst der Bundesgerichtshof setzte dem ein Ende, als er klarstellte, dass man es keineswegs mit einer »terroristischen Vereinigung« zu tun habe), mit Kanonen auf Spatzen geschossen (teilweise bis zu achtjährige Ermittlungen, die ergebnislos eingestellt wurden mit allem was die Strafprozessordnung und der Paragraf 129a hergeben – vom Peilsender über Internet- und Telefonüberwachung bis hin zu sogenannten stillen SMS, die stündlich den Aufenthaltsort der Beschuldigten abfragten) – und getrickst.
Für Letzteres gab es bislang nur Hinweise. Jetzt ist öffentlich, dass das BKA lügt und Akten manipuliert – und dabei selbst vor dem Gericht nicht haltmacht. Erst auf Nachfrage und Konfrontation mit einem der Verteidigung zufällig bekannt gewordenen Aktenvermerks gab ein BKA-Ermittlungsführer zu, dass das BKA an der Militanzdebatte beteiligt war.
Nicht die Tatsache als solches macht stutzig. Stutzig macht, dass das BKA ohne Not die Unwahrheit sagt und Akten fälscht. Denn nach geltender Rechtsordnung ist nichts dabei, wenn »verdeckt« Texte geschrieben werden. Unweigerlich fragt man sich deshalb: Was soll wirklich verborgen bleiben? Hat das BKA, wenn es schon heimlich bei linken Debatten mitdiskutiert, nicht vielleicht auch Anschlagserklärungen verfasst oder war selbst an militanten Aktionen beteiligt?
Spätestens nach den jüngsten Enthüllungen im Prozess gegen Axel, Florian und Olli ist klar: Nichts ist unmöglich. Immer deutlicher wird, dass eine Überprüfung der Vorwürfe nicht möglich ist, wenn der VS bestimmt, was gerichtsbekannt wird, und das BKA Akten fälscht. Mit einem fairen Verfahren hat das nichts zu tun. Ein Prozess auf dieser Grundlage muss konsequenterweise eingestellt werden.