Interview mit "Mono für alle!"

"Mono für alle!", eine Electropunk-Band aus Gießen, war wiederholt mit Repression und Zensurforderungen konfrontiert. Der bayerische Verfassungsschutz verlangte beispielsweise die Löschung ihres Songtextes "Hallo Verfassungsschutz" von ihrer Homepage. Wegen ihres Liedes "Amoklauf" wurde gegen die Band zunächst ermittelt nach §130a - Anleitung zu Straftaten -, ein Paragraph, der von Ermittlungsbehörden auch schon gegen linke Strukturen wie die Zeitschrift "radikal" eingesetzt wurde. Ende 2007 stellten Medien einen Zusammenhang zwischen der Repression gegen "Mono für alle!" und den Verhaftungen von Andrej, Axel, Florian und Oliver wegen vermeintlicher Mitgliedschaft in der "militanten gruppe" her. Es gibt tatsächlich zahlreiche Parallelen. Auch "Mono für alle!" wurde beispielsweise vorgeworfen, sich äußerst konspirativ zu verhalten.

Einstellungsbündnis: Der Staatsschutz, der Verfassungsschutz und mehrere Staatsanwaltschaften haben euch und eure Musik ins Visier genommen. Wie erklärt ihr euch, dass ausgerechnet ihr in den Fokus gerietet?

MfA: Die in den Akten aufgeführte Version ist ja die, dass ein verärgerter Bürger im Jahr 2007 nachdem er das Lied "Amoklauf" im Radio gehört hatte bei der Polizei in Waiblingen anrief und diese dann die Staatsanwaltschaft Stuttgart informierte, welche sogleich ein Ermittlungsverfahren gegen uns einleitete. Wir gehen jedoch davon aus, dass uns der Staatsschutz schon länger im Visier hatte, weil wir öfters in als "linksradikal" eingestuften Kulturzentren aufgetreten sind und diese Zentren ja grundsätzlich vom VS und Staatsschutz überwacht werden und das meiste was da passiert genauer überprüft wird. Als wir dann etwas bekannter wurden war es für uns nur noch eine Frage der Zeit, bis die sich auch speziell mit uns befassen würden.

Einstellungsbündnis: Ihr wurdet jahrelang überwacht und euer Familien- und Bekanntenkreis ausgeforscht. Wie habt ihr davon erfahren und welche Ausmaße nahm die Überwachung an?

MfA: Erfahren haben wir von den Ermittlungen über unsere Eltern, welche vom Staatsschutz aufgesucht und ausgefragt wurden. Wir sind dann zu einem Rechtsanwalt und bekamen so die Akteneinsicht. Dabei hat sich rausgestellt, dass die uns schon ein ganzes Jahr lang beobachteten. Z.B. wurde das Internet durchforscht, es wurden Interviews, die wir gegeben hatten, aufgezeichnet und ausgewertet, es wurden Erkundigungen über Veranstaltungsorte eingeholt und Konzertveranstalter kontaktiert, auch an der ehemaligen Schule eines Bandmitgliedes wurden Nachforschungen angestellt und sogar Anmeldungen in unserem Internet-Fanklub sind dokumentiert. Alles immer mit der Begründung, man könne uns nicht ausfindig machen weil wir uns "extrem konspirativ" verhalten würden. Tatsächlich waren wir jedoch ganz normal gemeldet und auch sofort über unsere Webseite per Mail zu erreichen. Jeder Konzertveranstalter schafft das in einer Minute wozu die Spezialisten vom Staatsschutz ein Jahr gebraucht haben wollen.

Einstellungsbündnis: Hatte das Auswirkungen auf eurer Verhalten?

MfA: Nein, abgesehen davon dass wir uns einen Anwalt nehmen mussten. Mittlerweile ist auch das Vorgehen der Staatsanwaltschaften so skurril, dass für uns gar nicht mehr nachvollziehbar ist, um was es eigentlich geht. Aktueller Stand der Dinge ist z.B., dass zuletzt die Staatsanwaltschaft Marburg wegen §131 (Gewaltdarstellung, Anm. der Redaktion) ermittelte, auf Grund eines Amoklauf-Videos, welches wir gemacht und im Internet verbreitet haben sollen - welches wir aber gar nicht kennen und welches auch nicht mehr in "beweissichernder Qualität vorliegt", so dass das Verfahren jetzt auch erstmal eingestellt wurde. Allerdings in Kombination mit der Forderung, dass Amoklauf nicht mehr aufgeführt werden dürfe, andernfalls sei... - Achtung Zitat - "...mit keiner weiteren Nachsicht zu rechnen" und es werde sofort Anklage gegen uns erhoben.

Einstellungsbündnis: Euer musikalisch und textlich ansprechendes Lied "Steineschmeißer", handelt von einem Menschen, der an den Pazifismus glaubt, sich engagiert, diskutiert und friedlich protestiert, letztlich aber merkt, dass sich dadurch nichts ändert. Er wird zum Steineschmeißer. Ihr schildert damit einen Politisierungsprozess, den nicht wenige in der radikalen Linken aktive Menschen durchgemacht haben: Mit 16 noch den Kriegsdienst verweigert, später dann Aktivist/in im schwarzen Block. Ähnelt das auch eurem Werdegang?

MfA: Naja, wir werden uns wohl kaum öffentlich in einem Interview zum Steineschmeissen bekennen. Das vermittelt der Song ja auch nicht. Wir kennen natürlich viele Leute, die genau die von dir beschriebene Biographie durch haben und irgendwann als Zwischenstation auch beim Steineschmeissen gelandet sind. Die meisten sind heute etabliert und haben ein Einfamilienhaus mit schickem Auto vor der Tür. Das wird auch in unseren Liedern thematisiert.

Einstellungsbündnis: Der Kabarettist Marc-Uwe Kling wurde kritisiert, dass er mit seinem Lied "Hörst du mich Josef?", in dem mit der Tötung vom Deutsche Bank-Chef Ackermann gespielt wird, nur in die Schlagzeilen kommen wollte. Setzt ihr in eurer Musik und euren Texten das Mittel der Provokation bewusst ein?

MfA: Jein. Wir finden provokante Inhalte natürlich gut, sonst würden wir andere Texte machen, allerdings mögen wir es nicht ganz so platt wie bei Kling. Wir versuchen eher die Widersprüche in der Gesellschaft aufzuzeigen, was meistens dann als Resultat eine größere Provokation hervorruft, als eigentlich beabsichtigt. Es geht z.B. viel um die Doppelmoral wie beim "11. September" oder bei "Honecker", das können die meisten Leute in Deutschland nicht ertragen, egal aus welcher politischen Richtung übrigens.

Einstellungsbündnis: War die Wirkung eurer Texte absehbar? Habt ihr mit diesen Folgen gerechnet?

MfA: Früher haben wir gedacht, das ist doch 08/15 was wir machen, das wird Niemanden großartig interessieren. Mittlerweile haben sich aber scheinbar die Verhältnisse so verschoben, dass es auf einmal an Bedeutung gewinnt, sowohl bei den Zensoren als auch beim Publikum. Soll heißen: nicht wir sind irgendwie krass, sondern die Gesellschaft hat sich verändert. Zensiert wird heutzutage überall, sowohl von staatlicher Seite als auch in der Linken, noch nie gab es z.B. so viele Hausverbote in AZ's (Autonome Zentren, Anm. der Redaktion) wie momentan. Es gibt einen allgemeinen Trend zur Kontrolle, das lässt für die Zukunft nichts gutes befürchten. Wir halten mittlerweile auch ein Verbot unserer Musik für denkbar. In einigen AZ's gibt es das ja schon.

Einstellungsbündnis: Ihr seid die einzige Band, die mit der Punk-Szene assoziiert wird und deren Musik zwischen "The Doors" und "Suicide" eingeordnet wird. In welcher musikalischen Tradition seht ihr euch?

MfA: Wir sind eher Oldie geprägt. Aber auch 80er NDW und NewWave-Sachen sowie 90er Metall wie z.B. Sepultura haben uns beeinflusst. Insgesamt eine ziemlich uncoole Mischung bei der wahrscheinlich die meisten irgendwie das Kotzen bekommen. Was uns wirklich gar nicht juckt ist der ganze aktuell trendige Elektrokram, daher wundert uns, dass wir immer in diese Ecke gesteckt werden - nur weil wir eine Synthieorgel dabei haben?

Einstellungsbündnis: Uns fiele es nicht leicht, für unsere Leser/innen eure Musik in Worte zu fassen. Wie würdet ihr sie beschreiben?

MfA: Wir machen stilistisch eine Mischung aus Punk, Schlager, Techno und DeathMetal, arrangiert mit Bass, Orgel und Schlagzeug. Dazu gibt es deutschsprachige Texte, die sich mit aktuellen und gesellschaftlich relevanten Themen der Gegenwart auseinandersetzen.

Einstellungsbündnis: Im März 2009 wart Ihr auf Tour. Was wird man in Zukunft von Euch hören?

MfA: Es gibt einige neue Songs, die es aufzunehmen gilt. Einige davon haben wir auch schon auf der Tour gespielt, ein paar alte bisher unaufgenommene Klassiker wie z.B. "Ekelhafter Antisemit" sollen auch endlich mal aufgenommen werden. Wir werden uns also nun für einige Monate auf unsere Insel ins Studio zurückziehen und voraussichtlich im Herbst wieder Live spielen. Falls wir bis dahin noch nicht verboten worden sind (lächeln).

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