Kurzmelder: Festnahmen in Frankreich
Zehn Festnahmen waren die Bilanz einer großen Polizeioperation in Frankreich am 11. November 2008. Nach Sabotagen durch Hakenkrallen an Bahnoberleitungen, durch die es zu zahlreichen Verspätungen kam, wurden die Landkommune des 300-Seelen-Dorf Tarnac im französischen Zentralmassiv umstellt. In Paris und weiteren Orten kam es ebenfalls zu Durchsuchungen und Festnahmen. Den Festgenommenen werden Sachbeschädigungen und die Bildung einer terroristische Vereinigung vorgeworfen. Sie sollen bereits seit April 2008 überwacht worden sein.
Zeitlich fielen die Hakenkrallenaktionen zusammen mit Arbeitskämpfen der BahnarbeiterInnen und dem Castortransport nach Deutschland. Während der Hausdurchsuchungen bei den Beschuldigten sollen neben Eisenrohren und Schweißgeräten »anarchistische Literatur« gefunden worden sein. Insgesamt scheint die Beweislage sehr dünn. Angeblich sollen sich die Beschuldigten in der Nähe der Sabotageorte aufgehalten, in Kontakt mit Militanten aus Deutschland, Griechenland, Italien und den USA gestanden sowie an Demonstrationen und Gipfelprotesten teilgenommen haben. Die Wohngemeinschaft auf einem Bauernhof in Tarnac soll offensichtlich zu einer terroristischen Zelle aufgebaut werden.
Im Dorf hat sich inzwischen eine Unterstützergruppe aus Solidarität zu den Beschuldigten gegründet. Sie umfasst mindestens ein Drittel der gesamten Dorfbevölkerung.
Mittlerweile wurden sieben der insgesamt neun Beschuldigten freigelassen. Es wird jedoch weiter wegen Mitgliedschaft in einer »kriminellen Vereinigung in Verbindung mit einem terroristischen Unternehmen« ermittelt. Zwei AktivistInnen sitzen immer noch in Untersuchungshaft in Paris. Darunter Julien C., gegen den wegen Rädelsführerschaft ermittelt wird, wofür bis zu zwanzig Jahre Gefängnisstrafe droht. Er ist Mitherausgeber der Zeitschrift Tiqqun und in der französischen anarchistischen Szene als Intellektueller und Aktivist bekannt.
Die Ermittlungen nach dem französischen Antiterrorparagrafen zeigen Parallelen zur deutschen Ermittlungspraxis. Ähnlich wie beim deutschen §129a ist ein präventives Vorgehen gegen Personen möglich, die angeblich in terroristische Aktivitäten verstrickt sind, ohne eine unmittelbare Verbindung zu Straftaten nachweisen zu müssen. Auch die Konstruktion von Beweisen erinnert an den deutschen Gesinnungsparagrafen 129a – bereits der Besitz bestimmter Literatur wird zum Verdachtsmoment.