(C) Beweisantrag: NATO-Krieg gegen Jugoslawien ermöglichte erst die Vertreibung und Ermordung von Juden und Roma

In der Strafsache gegen Florian L. u.a. wird - zum Beweis der Tatsache, dass der NATO-Krieg gegen Jugoslawien die Vertreibung und Ermordung von Juden und Roma im Kosovo erst ermöglichte und sich unter Aufsicht der KFOR-Truppen ereignete - beantragt, Beweis zu erheben durch Ladung und Vernehmung folgender Zeugen:

1.
a) Tilman Zülch, Düstere Straße 20 a, 37073 Göttingen,
b) Kurt Holl, zu laden über Bobstr. 6 - 8, 50676 Köln

Der Zeuge zu a) wird zunächst bekunden, daß er Ehrenvorsitzender der Gesellschaft für bedrohte Völker ist, der Zeuge zu b), daß er Mitarbeiter des ROM e.V. ist, welcher sich für eine Verständigung zwischen Roma-Flüchtlingen und Nicht-Roma einsetzt.

Die Zeugen werden folgendes bekunden:

Vor dem Krieg hätten im Kosovo bis zu 150.000 Menschen - ca. 8 % der Bevölkerung - gelebt, welche sich der Roma- und Aschkali-Minderheit zugerechnet haben. Seit dem Abzug der jugoslawischen Armee sind 3/4 der Roma- und Aschkali-Minderheiten von Kosovo-Albanern aus dem Lande gejagt oder in Lagern für Displaced Persons im Kosovo zusammengepfercht. Während und nach dieser Massenvertreibung wurden bis zu 2/3 der Häuser der Roma und Aschkali ausgeplündert, verbrannt oder auf andere Weise zerstört. Die Vertreibungen waren von Drohungen, Einschüchterungen, Misshandlungen, aber auch von einzelnen Entführungen mit anschliessender Folter, von Vergewaltigungen und Morden begleitet.

Die KFOR-Truppen hätten die Roma nur unzureichend geschützt, in ihren Dörfern und Stadtteilen häufig gar nicht oder zu spät KFOR-Soldaten stationiert und so die Vertreibungen nicht rechtzeitig gestoppt. Das Vorgehen der kosovo-albanischen Täter - insbesondere der UCK - sei eine Politik der ethnischen Säuberung. Menschen mit dunkler Hautfarbe könnten heute in den meisten Städten des Kosovo öffentliche Straßen und Plätze nicht mehr ohne Gefahr für Leib oder Leben betreten. Große Teile der kosovo-albanischen Bevölkerung würden diese Vertreibungsverbrechen mindestens tolerieren, wenn nicht rechtfertigen und gutheißen. Die Zahl der Ermordeten oder bei der Vertreibung Umgekommenen sei nur schwer zu beziffern, es seien aber mindestens einige hundert. Rund 15.000 Häuser von Roma seien zerstört und geplündert worden. Ganze Roma-Viertel beispielsweise in Pec und Vucitren seien niedergebrannt worden. Speziell die UCK führe ihre ethnische Säuberung mit dem Ziel, solange weiterzumachen, bis "der letzte Zigeuner das Land verlassen habe".

2.) durch Vernehmung des Vorstehers der jüdischen Gemeinde in Pristina, Cedo Prlincevic.

Dieser Zeuge wird bekunden, daß die hundert Mitglieder der jüdischen Gemeinde in Pristina ebenfalls im Rahmen der ethnischen Säuberungen auch dem offiziellen Ende des Krieges von Kosovo-Albanern vertrieben worden sind. Hierbei seien auch einige Mitglieder der jüdischen Gemeinde umgebracht worden. Die wesentliche Triebfeder der UCK sei neben der Errichtung eines ethnisch reinen Kosovo Antisemitismus.

3.) durch Ladung und Vernehmung des ehemaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder, zu laden über das Bundeskanzleramt, 10117 Berlin

Der Zeuge wird bekunden, daß ihm bereits vor der Entscheidung, über die Beteiligung der Bundeswehr am NATO-Krieg gegen Jugoslawien folgende Fakten bekannt gewesen sind:

Seit Anfang der 80er Jahre sei es offensichtlich gewesen, daß die kosovo-albanischen Nationalisten als neues Ziel ihrer Bewegung die ethnische Reinheit des Kosovo von allen nicht-albanischen Minderheiten proklamiert hätten. So hätte nicht nur die - linken Gedankenguts unverdächtige - Tageszeitung "Die Welt" am 17.01.1986 geschrieben, das "Ziel der albanischen-nationalistischen Bewegung im Kosovo ist zunächst die Schaffung einer Republik innerhalb Jugoslawiens und dann eines ethnisch reinen, das heißt von Serben und anderen Slawen gesäubertes Gebietes, in dem nur Albaner siedeln." Auch die New York Times schrieb am 01.11.1987, "die andauernde Gewalt gegen Slawen verwandelt das Kosovo in eben das, was nationalistische Albaner fordern, in eine ethnisch reine albanische Region." Im selben Tenor schrieben auch die Korrespondenten von FR und NZZ.

Diese Auffassungen seien vom Auswärtigen Amt und sämtlichen relevanten Regierungsstellen der BRD so geteilt worden. Dem Zeugen sei auch klar gewesen, was nach einem NATO-Einsatz unter Beteiligung der Bundeswehr im Kosovo passiere, nämlich daß alle ethnischen Minderheiten unter dem Schutz der NATO von den Kosovo-Albanern mit brutalsten Repressionsmethoden vertrieben werden und es dabei auch zu einer Vielzahl von Morden gegen diese Minderheiten kommen werde.

Nichtsdestotrotz habe der Zeuge die Bundeswehr an dem NATO-Krieg gegen Jugoslawien beteiligen lassen in vollem Wissen, daß es zu solchen verbrecherischen Handlungen kommen werde. Diese drohende ethnische Säuberung habe man zum einen akzeptiert, um die Region und insbesondere die jugoslawische Regierung zu destabilisieren und die NATO bzw die EU als alleinigen Ordnungsfaktor zu etablieren. Zum anderen habe man in der Bundesregierung mit der Beteiligung der Bundeswehr am NATO-Krieg gegen Jugoslawien eine Gelegenheit gesehen, die deutsche Öffentlichkeit wieder an Kriegseinsätze einer deutschen Armee zu gewöhnen. Diese direkten Kriegseinsätze der Bundeswehr seien notwendig, um die Großmachtpläne der BRD militärisch abzusichern, da allein eine ökonomische Durchdringung von Regionen auf Dauer nicht ausreichend sei.

Die Beweiserhebung ist erforderlich, um die Propaganda der NATO und der Bundeswehr zu widerlegen, wonach der Einsatz der NATO dazu bestimmt gewesen sei, das friedliche Zusammenleben der Völker im Kosovo erst wieder zu ermöglichen. Die Beweiserhebung wird ergeben, daß dieses niemals eine Rolle gespielt hat bei der Beteiligung der Bundeswehr am NATO-Krieg in Jugoslawien.

Undine Weyers, Olaf Franke, Alexander Hoffmann
Sven Lindemann, Thomas Herzog, Stephan Schrage

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