(A) Beweisantrag MAN AG und Freisprüche für militante Antimilitaristen in England und Irland
In der Strafsache gegen Axel H. u.a. wird beantragt,
1. Herrn Hakan Samuelsson,
Vorstandsvorsitzender der MAN AG,
Ungererstr. 69, 80805 München,
2. Mr. Jack Straw, Justizminister Grossbritanniens,102 Petty France,
London SW1H 9AJ, United Kingdom,
3. Mr. Dermot Ahern, Justiminister Irlands,
94 St. Stephen's Green, Dublin 2
als Zeugen zu laden und zu hören.
1. Der Zeuge zu 1) wird folgendes bestätigen:
Die Gründung der heutigen MAN Aktiengesellschaft reicht in das Jahr 1758 zurück. Rüstungsgüter gehörten fast von Beginn an zur Produktpalette. Während des Ersten Weltkriegs wurde die MAN zum bedeutendsten Rüstungsunternehmen Süddeutschlands. Insgesamt wurden während des Ersten Weltkriegs rund 934 000 Granaten, 254 000 Minen und fast 2,5 Millionen Zünder gefertigt. Im Geschäftsjahr 1917/1918 machte das Geschäft mit Kriegsgerät fast 50 Prozent des Gesamtumsatzes aus. Nach Kriegsende begann die MAN sogleich, Prothesen für Kriegsversehrte zu produzieren.
Dank der ausgezeichneten Kontakte zum Marinekommando und Heereswaffenamt konnte die MAN während der Weimarer Republik als Produzentin von Kriegsgerät ihre Rüstungssparte weiter ausbauen. Mit den Nazis suchten die Führungskräfte der MAN sogleich Kontakt und profitierten stark von deren Aufrüstungsprogrammen. 40 Prozent aller in Deutschland gebauten Panther-Kampfpanzer wurden in den MAN-Werken Nürnberg hergestellt. Bis 1944 beschäftigte die MAN und ihr Mutterkonzern, die GHH, 31 500 ZwangsarbeiterInnen. „Entschädigungszahlungen“ leistete MAN im Jahre 2001 insbesondere deshalb, um sich damit Rechtssicherheit vor weitergehenden Ansprüchen zu erkaufen.
In den sechziger Jahren wurde vor allem die Firmensparte „Nutzfahrzeuge“ ausgebaut. Die MAN AG pflegte enge Geschäftsbeziehungen mit dem Apartheidregime in Südafrika. In der Nähe von Durban baute MAN eine Fabrik. Südafrika gehörte seit den 60er Jahren zu den größten Abnehmern von MAN-Produkten.
Seit Bestehen der Bundeswehr zählt MAN zu den Hauptlieferanten von Militärfahrzeugen. Mitte der 70er Jahre ging der Auftrag zur Fertigung von rund 8600 verschiedenen handelsüblichen und teilmilitarisierten Fahrzeugen sowie einiger militärischer Sonderentwicklungen an MAN. Diese LKW wurden sukzessive durch verbesserte Modelle ersetzt. Auch heute produziert MAN nahezu alle Fahrzeuge der LKW-Flotte der Bundeswehr. Aber auch Dieselmotoren, Turbomaschinen und Industriedienstleistungen gehören zum Kernbereich der Produktpalette. Die militärische Produktion der im Internet nur schwer zu findenden „Military Division“ von MAN nahm bis heute stets an Bedeutung zu.
„We are setting military benchmark“ („Wir setzen militärische Maßstäbe“) (Homepage MAN)
Die „Military Division“ beliefert Verteidigungsministerien in 150 Staaten der Erde und stattet 44 nationale Armeen mit Militärlastwagen aus. Mit einem Auftrag von 7200 „support vehicle“ Spezialfahrzeugen an die britische Armee avancierte MAN 2005 zu einem der größten Militärausrüster weltweit.
„Den neuen Bedrohungen folgend“ hat das Unternehmen zusammen mit dem Panzerbauer Krauss Maffei-Wegmann einen gepanzerten LKW entwickelt, der schon seit einigen Jahren im Kosovo im Einsatz ist und nun in großer Stückzahl an verschiedene europäische Armeen ausgeliefert wird. Der SX45 8x8 verfügt über eine minensichere Kabine und eine automatische Waffenstation. Die Fahrzeuge sind mit einem elektronischen Managementsystem ausgestattet, also gerüstet für die zukünftige Kriegsführung.
Die Geschäfte mit Militärgerät haben sich für MAN gelohnt. 2007 war das wirtschaftlich erfolgreichste Jahr in der Firmengeschichte.
Die Beweiserhebung ist aus folgenden Gründen erforderlich :
Bei der MAN AG handelt es sich nicht um einen „neutralen“ Fahrzeugbauer, sondern um ein Unternehmen, das insbesondere mit seiner Nutzfahrzeugsparte Militärgerät weltweit verkauft und damit einen fundamentalen Beitrag zu Angriffskriegen in aller Welt leistet. Es handelt sich also, zumindest partiell, um einen Rüstungskonzern.
Bei den am 31.7.2007 in Brandenburg/Havel angegangenen Fahrzeugen handelte es sich um solche der Fa. MAN.
Die beantragte Beweiserhebung wird insoweit unter Strafzumessungsgesichtspunkten ein mögliches Handeln der Angeklagten unter dem Aspekt, hierdurch Schlimmeres zu verhindern, in einem anderen, milderen Licht erscheinen lassen.
2. Die weitere Beweiserhebung ist deshalb erforderlich, um eine einheitliche europäische Rechtsprechung zu dem hier behandelten Problemkreis zu gewährleisten.
Der Zeuge zu 2) wird bestätigen, dass Toby Olditch und Phil Pritchard am 18.3.2003 bei dem Versuch festgenommen wurden, innerhalb des Luftwaffenstützpunktes Fairford/Gloucestershire einen B52-Bomber der US-Armee mittels eines Vorschlaghammers außer Funktion zu setzen. Am 22.5.2007 wurden beide vom Bristol Crown Court mir der Begründung freigesprochen, sie hätten mit der Aktion mutmassliche zivile Opfer der US-Angriffe im Irak geschützt.
Er wird ferner bestätigen, dass 9 Aktivisten der „Derry Anti War Coalition“ am 9.8.2006 die Räumlichkeiten des US-Rüstungskonzerns Raytheon in Derry erstürmten, sich dort 8 Stunden lang verbarrikadierten, die Computer der Firma zerstörten und diese aus dem Fenster warfen. Am 11.6.2008 wurden die neun von einem Gericht in Belfast vom Vorwurf des Hausfriedensbruchs und der kriminellen Sachbeschädigung freigesprochen. Der Freispruch für die „Raytheon 9“ erfolgte deshalb, weil sie nach Meinung der Jury glaubhaft machten, daß ihr Handeln dazu gedacht war, noch größeres Unheil, nämlich Kriegsverbrechen in Form des Tötens von Zivilisten zu vermeiden.
Der Zeuge zu 3) wird bestätigen, dass fünf irische Friedensaktivisten
am 3.2.2003 auf dem militärischen Teil des Flughafens Shannon/Irland Teile der Landebahn sowie ein Flugzeug der US-Navy zerstörten. Der Gesamtschaden betrug 2,5 Mio. US-Dollar. Im Jahre 2006 befanden die
Geschworenen eines Dubliner Gerichtes einstimmig, dass die US-Militärausrüstungen auf dem Flughafen „Leben und Besitz“ im Irak bedrohten. Ferner erklärten sie, dass gewaltfreier Widerstand gegen die US-Intervention im Irak nicht als krimineller Akt zu bewerten sei und sprachen die Aktivisten frei. Die Geschworenen erklärten, die Aktivisten hätten mit ihrer Aktion schlimmeres, nämlich den Tod von Menschen, verhindert.
Olaf Franke, Thomas Herzog, Alexander Hoffmann
Sven Lindemann, Stephan Schrage, Undine Weyers