Bericht vom 46. Prozesstag (18.06.2009) mit Fotos
Der 46. Prozesstag begann für die BesucherInnen erneut mit Behinderungen durch die Justizvollzugsbeamten am Einlass. Den BesucherInnen wurden entgegen der von Richter Hoch genehmigten 10 Blätter Papier nur 2 Blätter pro Person zugestanden. Daraufhin ließ der Richter im Gerichtssaal Papier an die BesucherInnen verteilen.
Der fünfköpfige Strafsenat: Grabbe, Finkel, Hoch, Hanschke, Jürgen Warnatsch
Als Prozessbeobachterin war Inge Höger, Mitglied des Bundestages, anwesend.
RA Lindemann gab eine Erklärung zur gestrigen Zeugenaussage von KOK Schartenberg (BKA) ab. Die im Minihandbuch erwähnten Bücher konnten laut Aussage des Zeugen nicht in der Wohnung des Beschuldigten L. gefunden werden.
Annette Grabbe, Stefan Finkel, Vorsitzender Josef Hoch, Klaus-Peter Hanschke
Zeugenvernehmung KOK Wagner
Anschließend begann die Zeugenvernehmung von KOK Andreas Wagner, 28, BKA. Er war mit im Ermittlungsteam und hat sich mit der Beschaffung von Daten zum Beschuldigten L. befasst. Nach der Festnahme am 31.07.2007 hat er sich mit der Auswertung der Asservate und retrograden Verbindungsdaten beschäftigt und mit der Ermittlungsführerin EKHKin Alles an dem Bericht gearbeitet.
Kodak Kamera
Auf dem Computer eines Beschuldigten wurden Bilder einer Kodak-Kamera gefunden. Durch einen Techniker des BKA wurden über die Exif-Dateien hinaus die Hex-Dateien der Bilder ausgelesen. Dadurch wurde die Gerätenummer der Kamera herausgefunden. Auf die Veranlassung des Zeugen Wagner wurde dazu auch ein Gutachten erstellt. Er hat auch Kontakt zum Hersteller aufgenommen um festzustellen, dass jede Kamera eine individuelle Gerätenummer erhält. Der Kauf der Kamera wurde nicht rekonstruiert. Der Zeuge konnte auf Nachfrage der Verteidigung auch nicht angeben, ob noch weitere Fotos auf der Kamera waren, denn er habe diese nicht selbst ausgewertet.
Kalenderauswertung
Weiter wurde der Zeuge zu Jahres-Timern und Kalendern aus den Jahren 1999 bis 2006 befragt, die bei der Wohnungsdurchsuchung bei einem Beschuldigten gefunden wurden. Diese Timer wurden von den Prozessbeteiligten im Original zirka 30 Minuten am Richtertisch in Augenschein genommen. Der Zeuge erklärte, er habe die tatrelevanten Einträge aus den Timern eingescannt und mit den Anschlagsdaten der mg verglichen. Er konnte aber nicht sagen, ob es mehr Einträge an tatrelevanten Tagen oder an nicht tatrelevanten Tagen gab. Pro Jahr gab es ungefähr acht Einträge "Auto". Er könne deshalb nicht ausschließen, dass das Fahrzeug des Beschuldigten als Tatfahrzeug zur Verfügung gestellt wurde. Auf die Frage, was mit den Einträgen sei, an denen "Auto" steht und kein Zusammenhang mit einem Anschlagsdatum hergestellt werden konnte, sagte der Zeuge er habe dies in seinem Bericht auch so festgehalten. Eine andere Bedeutung z.B. einen Werkstatttermin schloss der Zeuge nicht aus. KOK Wagner konnte auf Nachfrage auch nicht angeben, ob es Hinweise darauf gab, ob nun ein Auto geliehen oder verliehen wurde.
Scheinbar harmlose Einträge wie "Fahrt ins Blaue" wurden vom Zeugen als mögliche Ausspähfahrten gedeutet. Bei Eintragungen mit dem Buchstaben "F" konnte der Zeuge keine Angaben machen, ob dies für dienstfrei stehen könnte oder nicht. Er habe auch nicht überprüft, ob es Dienstpläne gab. Er habe auch nicht die Idee dazu gehabt, dies zu tun.
In einem Kalender fanden sich die Telefonnummern von Medienanstalten wie TAZ und BZ. Dies hielt der Zeuge auch für ein wichtiges Indiz. Im Timer 2004 fand sich ein Eintrag "Möckernstraße 92". Dies ist die Adresse des Berliner Mietervereins. Für diesen Verein hat ein weiterer Beschuldigter als Redakteur des "Mieterechos" gearbeitet. Daraus schließt der Zeuge Wagner, dass sich beide kannten. Die Frage ob diese Räume öffentlich zugänglich sind, konnte der Zeuge nicht beantworten.
Aus Einträgen zu Arbeitsamt, Bezirksamt usw. schloss der Zeuge, dass der Beschuldigte sich aufgrund seiner beruflichen Termine dort Ortskenntnisse für mögliche Anschläge beschafft habe. Der Zeuge gab an, dass viele Eintragungen zunächst nicht verdächtig erschienen, aber im Zusammenhang mit den Anschlagsdaten könnte ein Zusammenhang bestehen.
Er habe nach der Festnahme der Beschuldigten mit EKHKin Alles an dem Bericht gearbeitet. Er habe eine Vielzahl von molekulargenetischen Untersuchungen angeregt.
Knoppix
Richter Hoch befragte den Zeugen zum Knoppix-Betriebssystem. Dieses war auf einem USB-Stick gefunden worden. Es ermöglicht die Benutzung des Sticks unter Umgehung des Betriebssystems des jeweiligen Computers. Die Verwendung von Knoppix wird laut dem Zeugen Wagner in den Interimausgaben 628 und 647 thematisiert.
Zeugenvernehmung
KOK Wagner war auch an Zeugenvernehmungen beteiligt u.a. an der Befragung eines Mitschülers eines Beschuldigten. Dieser hatte in der Vernehmung den Hinweis auf eine weitere Mail-Adresse des Beschuldigten gegeben.
TKÜ
Durch die Telefonüberwachung habe man generell genauere Erkenntnisse über die persönlichen Umstände gewonnen. Man habe dadurch auch feststellen können, dass ein Treffen am 30.07.2007 geplant war.
Videoüberwachung
Die Videoüberwachung des Hauseingangs eines Beschuldigten ergab, dass es sich um L. handeln dürfte, als er nachts das Haus betreten hat. Die Videoqualität nachts sei jedoch eingeschränkt, so der Zeuge. Dem Einwand von Richter Hoch das die Personenbeschreibung auf viele Personen zutreffen könnte, entgegnete der Zeuge, dass er den Beschuldigten ja auch schon tagsüber gesehen hatte und deshalb eine Einschätzung treffen konnte. Er ergänzte, dass er durch den Bewegungsablauf und den Gang der Person der Meinung ist, dass dies der Beschuldigte war.
Observation
Auf Fragen der Verteidiger Franke und Lindemann gab der Zeuge an, dass es beobachtende Maßnahmen gegen zwei Beschuldigte gegeben habe. Er kenne die Daten nicht auswendig. L. müsste ab Ende April 2007 überwacht worden sein und spätestens ab 09.05.2007 der Beschuldigte R., so der Zeuge. Auf die Frage ob es am 18.05.2007 eine Observation oder Videoüberwachung gegeben habe, sagte der Zeuge an diesem Tag habe keine Überwachung stattgefunden.
Handyauswertung
Bei der Auswertung eines Handytelefonats vom 23.07.2007 wurden die Verbindungsdaten vom Provider herausgegeben. Jedoch weicht die IMEI-Nummer (International Mobil Equipment Identify-Nummer, 15-stellige Seriennummer mit der jedes Handy eindeutig identifiziert werden kann) des Handys das bei der Festnahme gefunden wurde von dem vorher benutzten Handy ab. Der Zeuge erklärt dies damit, dass die gleiche SIM-Karte in ein anderes Handy gelegt wurde. Auf die Frage von RA Hoffmann, ob denn bei der Wohnungsdurchsuchung ein Handy mit der ursprünglichen IMEI-Nummer gefunden wurde, sagte der Zeuge er wisse dies nicht. Er sei nicht an den Durchsuchungen beteiligt gewesen. Er habe aber auch nicht nachfragt, ob so ein Handy gefunden wurde. RA Franke fragte, ob es einen Bericht mit retrograden Standortdaten der sichergestellten Handys gibt. Dies konnte der Zeuge nicht beantworten. Der Vorsitzende Richter bat die BAW einen solchen Bericht zu erstellen. Der Zeuge wurde um 12.15 Uhr unvereidigt entlassen.
Anklagende Bundesanwälte Weingarten und Greger
BAW Jochen Weingarten
BAW Greger
Erklärung von RA Hoffmann
RA Hoffmann gab eine Erklärung zur vorangegangenen Zeugenaussage ab. Diese Zeugenaussage habe erneut ergeben, dass nicht entlastende, sondern nur belastende Hinweise ermittelt wurden. Für die Verteidiger sei es kaum möglich noch Entlastendes für bestimmte Daten vorzubringen. Zwar hat der Zeuge deutlich gemacht, das es möglich sein könnte, die Hinweise auch anders zu deuten. Trotzdem seien die Hinweise als non liquet zu sehen. (Bedeutet, dass die Hinweise nicht klar zu deuten sind.) Nach dem Grundsatz im Zweifel für die Angeklagten seien sie deshalb nicht zu werten.
Der nächste Prozesstag ist am Mittwoch 24.06.2009 um 10 Uhr mit der Zeugenvernehmung von Dr. Carsten Hohoff, DNA-Forensiker am Institut für Forensische Genetik der Uni Münster unter Professor Brinkmann.